SOLDATEN (Schauspiel Hannover)
"Männer, Kriege"
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Bewertung:
Vom jungen Lenz (25) stammte jenes lustig anmutende Männerstück unter dem Titel Die Soldaten. B. A. Zimmermann hat es für seine weltberühmte Oper (ab 15. Juni in der KOB!) zur Grundlage genommen. Und das Thema "Männer, Kriege", ob in Syrien, in Nigeria, in der Ukraine... Überall wird man mit diesen immer wieder gleichen Bildern, wo so Männer stolz und überzeugt mit kleinen oder großen Waffen vor den Kameras posieren, konfrontiert; es sieht so komisch aus und ist doch gleichsam so abscheulich - Waffen sind halt da zum Töten; und die Männer, wie es scheint, brauchen halt immer irgendeinen Feind, den sie mit Frust & Lust hinübermetzeln. So sieht Lieschen Müller das, ja.
Nein und nochmals nein! [Denn für uns Lieschen-Müller-Schwule - denn der Schreiber dieser Zeilen ist bekennend "andersartig" - war und ist und bleibt das Alles sowieso kein Thema; "Männer, Kriege" ist halt Scheiße!!]
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Das zu den AUTORENTHEATERTAGEN BERLIN gastiert habende Schauspiel Hannover hat nun seinen Diskussionsbeitrag zur Sache mit Soldaten übertitelt; also:
"Vor etwa zehn Jahren erhielt der Mainzer Militärhistoriker Sönke Neitzel einen Hinweis auf Abhörprotokolle aus dem 2. Weltkrieg. Das Aktenmaterial umfasste ca. 150.000 Seiten, in denen Gespräche deutscher und italienischer Kriegsgefangener in britischen und amerikanischen Lagern festgehalten worden waren. Sie erlaubten einen unverstellten Blick in die Gedankenwelt der Soldaten, in ihren Umgang miteinander und in ihr Verständnis der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts. Archiviert in London und Waschington, bleiben all diese Dokumente Jahrzehnte lang unbeachtet und unberührt. [...] In Zusammenarbeit mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer gab Neitzel 2011 das Buch Soldaten. Protokolle von Kämpfen, Töten und Sterben heraus. [...] Mit der Absicht, einen 'unmoralischen, nämlich nicht normativen Blick auf Krieg und Gewalt zu werfen', planten wir einen Theaterabend auf der Basis des Soldatenbuches." (Quelle: Programmheft Soldaten, Schauspiel Hannover)
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ein solch ehrenwertes Anliegen (s.o) war dann seiner Zeit - um einen angemessen Vergleich parat zu haben - Armin Petras in seiner Performance frei nach Jonathan Littells Die Wohlgesinnten (Maxim Gorki Theater, 2011) emotional entschieden-einflussnehmender gelungen. Zwar standen hier keine rein authentischen Belege zur Verfügung, aber durch die - wieder im Vergleich - doch weitaus künstlerischere Verwertung/Brechung eines vorliegenden Materials konnte gezielter und gewiefter in die Richtung von "links, wo das Herz ist" attackiert werden; was folgerichtig auch dann irgendwie gelang.
In Thomas Dannemanns Hannoverischem Stück-Versuch werden wir durch die Überfülle von zig lauthals ausposaunten Abhörprotokollen gänzlich überanstrengt und fühlen uns schließlich zur Verarbeitung derselbigen im Geiste und gefühlsmäßig aufs Ganze überfordert, sprich: Die durch das Stück vielleicht beabsichtigte Wirkung stellt sich überhaupt nicht ein...
Fünf Schauspieler (Namen s.u.) sprechen also jene abgehörten Texte von fünf Wehrmachts-Landsern; Auswahl höchstwahrscheinlich punktuell und demzufolge mehr beliebig. Sie sind in fünf Schaufensterkästen (assoziierend ihre jeweiligen Einzelzellen während ihrer Kriegsgefangenschaft?), die ihnen Ausstatter Dirk Thiele baute, eingezwängt. Ein sechster Schauspieler steht für die "Gegenseite"; er ist Aufseher und Weihnachtsmann und Umerzieher gleichermaßen und steht ebenso dann als der Feindverhörende bereit...
Am Schluss des Stückes gibt es einen ellenlangen Dialog zwischen zwei Ex-Landsern über "Massenjudenerschießungen". Dort werden dann auch jede Menge grauenhaftester Details, die von dem Einen oder Anderen (im Publikum) in dieser Grauenhaftigkeit bisher womöglich nicht gekannt waren, breit ausgewalzt; das Phänomen dieses doch eigentlich erschüttern-sollenden (Aufklärungs-)Dialogs ist dann, dass er ganz kalt und unbeteiligt lässt - paar Zuschauer verlassen daraufhin die Vorstellung...
Und ich - ein Lieschen-Müller-Typ par excellence - schaue "bloß" währenddessen auf die Uhr und stelle fest: Thema verfehlt!
Misslungener Versuch.
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Soldaten (C) Schauspiel Hannover
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Andre Sokolowski - 9. Juni 2014 ID 7897
SOLDATEN (Kammerspiele, 08.06.2014)
Regie: Thomas Dannemann
Bühne: Dirk Thiele
Kostüme: Regine Standfuss
Musik: Tobias Dutschke
Dramaturgie: Kerstin Behrens
Mit: Jakob Benkhofer, Philippe Goos, Mathias Max Herrmann, Dominik Maringer, Oscar Olivo und Andreas Schlager
Gastspiel Schauspiel Hannover
Weitere Infos siehe auch: http://www.deutschestheater.de
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
AUTORENTHEATERTAGE BERLIN 2014
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