Autorentheatertage Berlin 2016
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An und aus von Roland Schimmelpfennig
Nationaltheater Mannheim
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Bewertung:
An und aus heißt die von Roland Schimmelpfennig vor drei Jahren für das National Theatre Tokyo geschriebene poetisch-melancholische Seitensprungkomödie, die aber indirekt von der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima handelt. Die deutsche Erstaufführung fand im Januar in der Regie des Schauspielintendanten Burkhard C. Kosminski im Nationaltheater Mannheim statt und gastierte nun bei den AUTORENTHEATERTAGEN im Deutschen Theater Berlin.
Außer dem Datum (11. März 2011), das zu Beginn an eine vom Schnürboden herabhängende, weiße Papierbahn geschrieben wird, erinnert allerdings nichts auf der leeren Bühne oder im Stück selbst an das Unglück, das durch einen Tsunami ausgelöst wurde. Lediglich die Beschreibung eines Bildes des japanischen Holzschnittkünstlers Hokusai im Text lässt die große Welle als Imagination entstehen. Das Bild hängt in einem kleinen Hafenhotel mit drei Zimmern und einem Rezeptionisten - der Junge mit der Brille (Sven Prietz) genannt - der die Schlüssel der Zimmer immer montags an drei Paare aushändigt, die sich hier zu einem wöchentlichen Routineseitensprung treffen.
Ohne dass sie voneinander wissen, gehen Frau Z. und Herr A. (Katharina Hauter, Stefan Reck) immer in Zimmer 1, Frau A. und Herr Y. (Ragna Pitoll, Fabian Raabe) in Zimmer 2 und Frau Y und Herr Z. (Hannah Müller, Reinhard Mahlberg) in Zimmer 3. Die perfekte „Montagsaffäre“, wie sie auch der Junge mit der Brille gerne hätte, nur dass er mangels Zeit mit seiner Angebeteten, dem Mädchen auf dem Fahrrad (Anne-Marie Lux), das in einer Wetterstation auf dem Berg arbeitet, nur per SMS verkehrt. Beide erzählen sich das poetische Märchen vom fliegenden Wal und der versunkenen Biene, die nicht zueinander passen wollen. Fisch sucht Fahrrad, während in den drei Hotelzimmern zunächst alles wie immer läuft.
Scheinbar nur, denn nachdem das Licht an-, aus- und wieder angegangen ist, ist nichts mehr so wie es war. Frau Z. hat zwei Köpfe und Herr A. keinen Mund mehr. Frau A. fühlt sich schwer wie ein Stein, und dem Läufer Herrn Y. brennt das Herz. Frau Y. ist eine Motte im schwarzen Regen und Herr Z. ein toter Fisch. Genau wie in seinem Stück SPAM über den Coltan-Abbau in Afrika verhält sich Schimmelpfennig nicht direkt zur eigentlichen Katastrophe, sondern verschachtelt das Ganze mit virtuos-poetischer Wortakrobatik in bildhafte Metaphern von Fischen und anderen Tieren.
Regisseur Kosminski macht noch das Beste aus diesem manchmal in seinen Textwiederholungen schon recht redundanten Schimmel(spar)pfennig. Fast papieren wirkt das Stück, wie das Bühnenbild selbst, auf das die SchauspielerInnen ihre Requisiten malen, in das sie mit dem Cuttermesser Öffnungen schneiden und mit dem sie Geräusche von Wellen und Wind machen können. Schließlich bricht alles über den Paaren zusammen, die sich nach dem Wühlen durch die Papierberge in ihr altes Leben zurückwünschen und doch vor den Trümmern ihrer Konsumgüter und Lebenslügen stehen. Bildhaft ist das stimmig, allerdings verfängt sich das Stück zunehmend in endlosen Textschleifen.
Auch Wal und Biene finden nicht zueinander. Dramatisches Cellospiel und schwarzer Flitterregen auf drehendem Bühnenrund künden vom Weltenende. „Die Welt ist verschwunden, aber die Sterne sind so klar wie nie vorher.“ heißt es im Text. Oder: „Hast du mal versucht, den Schatten eines Vogels zu fotografieren?“ Deformationen, Sprachlosigkeit, bleierne Schwere und unerfüllt brennende Herzen gehören sicher zu den menschlichen Katastrophen unserer in grenzenlosem Wachstum und Arbeitsroutine versinkenden Gesellschaft. Eine besondere Dringlichkeit merkt man hier aber nie.
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An und aus von Roland Schimmelpfennig am Nationaltheater Mannheim | Foto (C) Christian Kleiner
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Stefan Bock - 22. Juni 2016 ID 9399
AN UND AUS (Deutsches Theater Berlin, 18.06.2016)
Regie: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Lydia Kirchleitner
Musik: Hans Platzgumer
Choreographische Mitarbeit: Jean Sasportes
Licht: Nicole Berry
Dramaturgie: Ingoh Brux
Mit: Sven Prietz, Anne-Marie Lux, Katharina Hauter, Stefan Reck, Ragna Pitoll, Fabian Raabe, Hannah Müller und Reinhard Mahlberg
DEA am Nationaltheater Mannheim: 9. Januar 2016
Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim zu den Autorentheatertagen Berlin 2016
Weitere Infos siehe auch: http://www.nationaltheater-mannheim.de
Post an Stefan Bock
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