RUHRTRIENNALE | 14. 8. - 26. 9. 2015
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Vom Kumpel ohne Kohle
DAS RHEINGOLD in der Jahrhunderthalle Bochum
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Bewertung:
Es bewahrheitet sich immer wieder: Die Erwartung ist ein schlechter Ratgeber! Vier Stunden sollte das Ganze ursprünglich dauern, so stand es jedenfalls in der Ankündigung der RUHRTRIENNALE. Ein modernes, mythisches Klang-Erlebnis werde geboten, Wagners Das Rheingold meets Electro. Man sah sich schon wonnetrunken durch das Weltall der Leitmotive düsen oder nickend zwischen wummernden Bässen im Walhall-Club sitzen. Die Rheingirls hätten im Es-Dur-Chillout-Mix gewellt und gewogt, Alberich wäre um groovend zischende Schmelzöfen geschlichen und an den Turntables stünde Teodor Currentzis, der die Jahrhunderthalle Bochum quasi zum Überkochen brächte: Eine bewusstseinserweiternde Erfahrung, ein Experiment mit einer ganz legalen Droge - dem Rauschgold, wenn man so will.
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Das Rheingold in der Jahrhunderthalle Bochum | Foto (C) JU/Ruhrtriennale 2015
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Nun aber stolpert man vor Beginn im Programmheft über pausenlose 2 Stunden 45, die beispielsweise ein Hans Knappertsbusch sowieso benötigt hätte. Die knappe, brav auswendig gelernte Antwort auf die Frage nach dem Grund der Kürzung lautet: Es könne schon mal vorkommen, dass die vorab festgelegte Aufführungsdauer mit der am Ende tatsächlichen Länge nicht übereinstimmt. So, so. Bei einer ganzen Stunde, die jetzt fehlt, drängt sich eher der Gedanke auf, dass - warum auch immer - zurückgerudert werden musste. Kurzum: Hier wurde dem Anschein nach der Schwanz eingezogen! Doch gänzlich kam man aus der Nummer mit dem tollen Sounddesign wohl nicht mehr raus. Geblieben sind Effekte, die eher der Kategorie Hörspiel zuzuordnen sind. Stefan Kaminski konnte aus dieser Idee grandiose Ring-Funken schlagen (u.a. am Deutschen Theater Berlin). Hier hingegen ist damit nichts gewonnen worden. Den Tiefpunkt bildet die Fahrt nach Nibelheim, die in zwei Teile geschnitten wird, um einen Text von Elfriede Jelinek ("Brünnhilde an Papa Wotan" aus Rein Gold) dazwischen zu quetschen, den wiederum Stefan Hunstein, der „Diener“, vorträgt. Teile des Orchesters gehen mit einem Hammer ab und schlagen Backstage Krach. Währenddessen wird auf der Bühne ein bisschen Castorf gespielt. Was für ein Revolutionslüftchen im Wasserglas!
Doch hat man das hinter sich gebracht, hält der Abend zwei große Momente bereit. Einen davon schenkt uns Jane Henschel als Erda, deren Bühnenpräsenz an Magie und deren brillant geführter, warmer Alt an ein Wunder grenzen. Der andere zeigt, was aus der Produktion (von Anfang an) hätte werden können: In Szene drei kriechen Alberich, Mime, Loge und Wotan als rußverschmierte Kumpel aus einem Schacht und eröffnen den Kampf um die Kohle. Johan Simons hat hier einen Schlagabtausch in Szene gesetzt, der Sinn macht und einen Sog entfaltet, der gewaltig ist. Das liegt vor allem an Leigh Melrose. Dieser ist nicht nur darstellerisch eine glatte Wucht: Melrose kann große Töne spucken, seine Alberich-Phrasen zischen, knurren und in klitzekleine Krümel kauen. Ebenso authentisch agiert Peter Bronder: ein Loge mit diebischem Witz und prägnantem Tenor. Mika Kares ist ein staatstragend-steifer Wotan mit reichlich Quarz im Bass; Elmar Gilbertsson singt und spielt einen berührenden Mime, und die Rheintöchter betören ebenfalls, mit der Woglinde von Anna Patalong an der Spitze. Die übrigen, ebenso mit Mikroports versehenen Götter und Riesen sind stimmlich souverän, kommen aber regiebedingt über den Schablonencharakter nicht hinaus.
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Das Rheingold in der Jahrhunderthalle Bochum | Foto (C) JU/Ruhrtriennale 2015
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Mit Teodor Currentzis steht eines der derzeit heißesten Dirigenten-Eisen am Pult. Er leitet sein selbst gegründetes Orchester MusicAeterna und gibt mit dieser Rheingold-Staffel sein Wagner-Debüt. Auch wenn man überrascht ist, wie sich die Ohren im Verlauf der Vorstellung an die akustisch problematischen Verhältnisse gewöhnen können: Zurückhörend ist festzustellen, dass man Currentzis und seinem Ensemble dann doch eher ein richtiges Konzerthaus gewünscht hätte. Die Tempi sind waghalsig, die Wiedergabe mitreißend… doch über Klang, Details, Farben, Figuren und Facetten lässt sich nicht wirklich etwas berichten, da die Jahrhunderthalle dies alles erbarmungslos wegschluckt. Schade drum.
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Heiko Schon - 22. September 2015 ID 8891
DAS RHEINGOLD (Jahrhunderthalle Bochum, 20.9.2015)
Musikalische Leitung: Teodor Currentzis
Regie: Johan Simons
Elektronische Musik: Mika Vainio
Bühne: Bettina Pommer
Kostüm: Teresa Vergho
Licht: Wolfgang Göbel
Sounddesign: Will-Jan Pielage
Dramaturgie: Tobias Staab, Jan Vandenhouwe
Besetzung:
Wotan … Mika Kares
Donner … Andrew Foster-Williams
Froh … Rolf Romei
Loge … Peter Bronder
Alberich … Leigh Melrose
Mime … Elmar Gilbertsson
Fasolt … Frank van Hove
Fafner … Peter Lobert
Fricka … Maria Riccarda Wesseling
Freia … Agneta Eichenholz
Erda … Jane Henschel
Woglinde … Anna Patalong
Wellgunde … Dorottya Láng
Floßhilde … Jurgita Adamonyté
Sintolt der Hegeling, Diener … Stefan Hunstein
MusicAeterna
Premiere war am 12. September 2015
Weitere Termine: 22., 24., 26. 9. 2015
Weitere Infos siehe auch: http://www.ruhrtriennale.de
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