Facing the sea, for tears to turn into laughter
Radhouane El Meddeb
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Bewertung:
Dass die Arabellion - beginnend in Tunesien in 2010 - so insgesamt dann völlig "in die Hosen ging", hätte sich keiner der Beteiligten vorher (und nachher sowieso nicht) jemals träumen lassen. Seit sechs Jahren tobt, als traurigster der Höhepunkte dieser Arabischer-Frühling-Pleite, ein ganz fürchterlicher Bürgerkrieg in Syrien; fast die Hälfte seiner Einwohner ist seither auf der Flucht. Ein Ende des Konfliktes ist nicht absehbar...
Von den drei Maghreb-Staaten ragt Tunesien immer noch (und hoffentlich noch eine ziemlich lange Weile) ziemlich "positiv" aus der den Rest der Welt zutiefst beunruhigenden weltpolitischen Gemengelage. Ein nicht nachlassender Flüchtlingsstrom und eine anhaltende terroristische Gefahr lassen das bis dahin mit seiner eigenen Beschaulichkeit befasste (West-) Europa bangen, um nicht gar zu sagen: zittern. Was kommt wohl als Nächstes zu ihm 'rüber?
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Facing the sea, for tears tu turn into laughter heißt die Stückzeile von Radhouane El Meddeb - klingt wie Strandidyll mit melancholisch-anheimelndem Blick-ins-Weite-Touch. Der Autor, Schauspieler und Künstler, der am Higher Institute Dramatic Art of Tunis ausgebildet wurde und seit ungefähr sechs Jahren in Paris arbeitet, wirkt und lebt, ist jetzt mit sieben resp. acht tunesischen Performern/Tänzern sowie einem Klavierspieler und einem Sänger ins Berliner Radialsystem gelangt:
Die beiden Musiker betreten als erstes das Podium, sie tragen schicke Anzüge und teuren Fußschmuck; Selim Arjouns Schuhe zieren Glitzersteine, und Mohamed Ali Chebil trägt zudem Gamaschen - alles ziemlich altmodisch und kolonial. Darauf vernimmt man permanent so eine Art von Klangkultur-Mix; Mohamed sangsingt in Vierteltonabfolgen, die von Selim auf einem Salonflügel von Bechstein west-tonal begleitet werden; nervig-merkwürdiger Mischmasch.
Bei den sieben Körperarbeitenden (mit 3 Frauen und 4 Männern) kommt erst nach und nach Bewegung auf. Nachdem sie etwas überlang und sehr bedeutungsschwer zu sich und uns als ihrem Publikum - am andern Mittelmeerufer ihnen weit gegenüber - regungslos geblickt hatten, beginnt allmählich Interaktionales; Huckepack's finden da beispielsweise mehrmals statt...
Dann rastet einer unter ihnen aus - irgend so etwas Epileptisches, vermuten wir. Der individuelle Ausbruch zieht sich hin; die Umstehenden wissen auch nicht recht, wie sie die unverhoffte Überraschungslage nunmehr händeln sollten. Nun, zu guter letzt beruhigt er sich bald wieder.
Doch das Beste der Performance: Wie sich plötzlich Malek Sebai in die Szene wirft - wir lesen folgende Geschichte, die sie uns vielleicht hiermit erzählen wollte: Eine Stewadress bei Tunisair hat es nicht einfach. Immer nett und immer höflich und vor allem immer dienbar-dienend sein. Das Handgepäckverfrachten in die Flugzeugfächer oberhalb bereitet Mühe, Hexenschüsse sind da schwer vermeidbar. Viel, viel Arbeit - viel zu wenig Freizeit: Bei Gewalt-Computerspielen tut sie sich entspannen, das Karate-Training frischt sie auf, in den sie langweilig umgebenden Nur-Männer-Gruppen wütet und emanzipert sie sich zu einer wahren Frauenrechtlerin, ihr eig'ner Körper schafft ihr selbstbewussten Lustgewinn, sie wird fortan die maskulinsten Maskulinen fernab aller Religion und Tradition domestizier'n, o yeah!
Am Schluss - indem es scheinwerferabdunkelt - wird von allen abgelacht. Das hat dann schon sehr lange, viel zu lange auf sich warten lassen: jene demonstrierte Leichtigkeit dieser genialen Truppe mit so vielem (bis dahin "verborgenem") Humor.
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Facing the sea, for tears to turn into laughter | Bildquelle: Tanz im August 2017
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Andre Sokolowski - 23. August 2017 ID 10204
Facing the sea, for tears to turn into laughter (Radialsystem V, 22.08.2017)
Konzept & Choreografie: Radhouane El Meddeb
Künstlerische Mitarbeit: Moustapha Ziane
Mit: Sondos Belhassem, Houcem Bouakroucha, Hichem Chebli, Youssef Chouibi, Feteh Khiari, Majd Mastoura, Malek Sebai und Malek Zouaidi sowie Mohamed Ali Chebil (Gesang) und Selim Arjoun (Klavier)
Bühnenbild: Annie Tolleter
Musik: Jihed Khmiri
Licht: Xavier Lazarini
Kostüme: Kenza Ben Ghachem
Sound: Christophe Zurfluh
Produktion: Michel Chialvo
Gastspiel zum TANZ IM AUGUST
Weitere Infos siehe auch: http://www.tanzimaugust.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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