Unwanted
Dorothée Munyaneza
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Bewertung:
"Als Völkermord in Ruanda werden umfangreiche Gewalttaten in Ruanda bezeichnet, die am 6. April 1994 begannen und bis Mitte Juli 1994 andauerten. Sie kosteten circa 800.000 bis 1.000.000 Menschen das Leben, die niedrigsten Schätzungen gehen von mindestens 500.000 Toten aus. In annähernd 100 Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie moderate Hutu, die sich am Völkermord nicht beteiligten oder sich aktiv dagegen einsetzten. Die Täter kamen aus den Reihen der ruandischen Armee, der Präsidentengarde, der Nationalpolizei (Gendarmerie) und der Verwaltung. Zudem spielten die Milizen der Impuzamugambi sowie vor allem der Interahamwe eine besonders aktive Rolle. Auch weite Teile der Hutu-Zivilbevölkerung beteiligten sich am Völkermord. Der Genozid ereignete sich im Kontext eines langjährigen Konflikts zwischen der damaligen ruandischen Regierung und der Rebellenbewegung Ruandische Patriotische Front (RPF)." (Quelle: Wikipedia)
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Wenn man sich allein auf das Statistisch-Faktische des staatsgelenkten Genozides [s.o.] kurzbeschränkt, will man von vornherein am besten gar nicht wissen, was da alles im Detail geschah. "Wie kann man jene hörbar machen, die keine Stimme haben? Wie jene zeigen, die sich verbergen?" fragte - in genau diesem Zusammenhang - das Internationale Festival TANZ IM AUGUST, das die Performance Unwanted (in der es um besagten Völkermord zu gehen haben würde) ins HAU1 einlud:
"In ihrem neuen Stück beschäftigt sich Dorothée Munyaneza mit Frauen aus Ruanda, die während des Genozids 1994 Opfer von Vergewaltigungen wurden, und mit den unerwünschten Kindern, die diesen Gewaltakten entsprangen. Was für ein Leben führen sie? Die in Ruanda geborene Sängerin, Schauspielerin und Choreografin sprach mit Frauen wie mit Kindern und sammelte ihre Geschichten, um [...] von ihren Sorgen und Hoffnungen zu erzählen, um ihre Leben zu tanzen und ihre Verletzungen sichtbar zu machen."
Funktionierte das?
Nein, nicht!
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Der künstlerische Ehrgeiz der Autorin, Sängerin und Choreografin sprengt das menschliche Vermögen, ein so derart beispielloses Bestiarium mit künstlerischen Mitteln (Sprechen, singen, Instrumente spielen, tanzen...) zu "bewältigen".
Gottlob - so muss ich meinesteils, der ich kein fließend Englisch kann, behaupten - kriegte ich dann all die Individualdetails der von Dorothée Munyaneza aufgeschnappten (Fremd-)Geschichten, also jener ganz konkreten Vergewaltigungs- und Mordabläufe bei zig Frauen, Mädchen, Jungen, Männern, die die Interviewerin per O-Tönen zuvor befragt hatte, nicht mit. Ich spürte nur bei den AkteurInnen eine gewisse "Fremdheit", eine zwingende Distanz zu den besagten Kurzviten, ein das Projekt wohl nur in dieser "Fremdheit" oder zwingenden Distanz rettbaren künstlerischen Freiheit resp. musikantisch-schauspielernden Obsession. Und sofort fragte ich mich: Wieso machten sie denn das? wie kamen sie in Gottes Namen bloß auf die Idee, "so etwas" zu performen??
Holland Andrews und Anai Mathé, mit jeweils einem auf dem Notebook integrierten Tonmischer versehen, spielten Klarinette, Blockflöte bzw. hatten einen Blasebalg und schwere Steine zu akustischen Verfremdungszwecken mit dabei. Anai & Dorothée ließen ihre von Gott geschenkten wunderschönen Stimmen seelenvoll und allerkräftigst ausufern und nachklingen...
Allein - es bleiben eine große Leere und verhalt'ner Frust zurück.
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Unwanted von Dorothée Munyaneza | (C) Bruce Clarke
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Andre Sokolowski - 24. August 2017 ID 10209
Unwanted (HAU1, 23.08.2017)
Konzept & Choreografie: Dorothée Munyaneza
Mit: Holland Andrews, Alain Mahé und Dorothée Munyaneza
Künstlerische Beratung: Faustin Linyekula
Bühnenbild: Vincent Gadras
Bildende Kunst: Bruce Clarke
Licht: Christian Dubet
Musik: Holland Andrews, Alain Mahé und Dorothée Munyaneza
Kostüme: Stéphanie Coudert
Technische Leitung: Marion Piry
Gastspiel zum TANZ IM AUGUST
Weitere Infos siehe auch: http://www.tanzimaugust.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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TANZ IM AUGUST
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