Ein idealer Gatte. Komödie
Tschechow Künstlertheater Moskau
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Bewertung:
Es geht nichts über gutes Timing bei den Wiener Festwochen im Museumsquartier. Während im Hof bei sommerlichen Temperaturen der Soundcheck für das Festival der russischen Kultur FEEL RUSSIA über die Bühne geht, laufen in der Halle E und G zwei russische Inszenierungen parallel. Draußen organisiert das russische Kulturministerium das Line Up für gute kulturelle Beziehungen zwischen Russland und Österreich, drinnen zeigen zwei eher skandalträchtige Regisseure, gegen die vor allem die russisch-orthodoxe Kirche Front macht, ihre von der Schauspielchefin der Wiener Festwochen Marina Davydova eingeladenen Produktionen. Die vom Moskauer Theaterfestival NET (Neues Europäisches Theater) nach Wien gewechselte Theatertheoretikerin und -kritikerin hat mit Theaterproduktionen u.a. aus Kroatien, Litauen, Polen, Rumänien, Russland und Ungarn ein sehr Ost-affines Schauspielprogramm zusammengestellt. Und der in Kroatien lebende bosnische Regisseur Oliver Frljić, der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó sowie die beiden russischen Regisseure Konstantin Bogomolov und Timofej Kuljabin stehen auch für eine eher kritische künstlerische Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen in ihren Heimatländern.
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Konstantin Bogomolov ist in Wien und auch in Deutschland kein ganz Unbekannter mehr. Bei den Festwochen zeigte er 2014 seine trashige, lettische Produktion Stavangera (Pulp People). Nun ist der russische Regie-Star mit dem Tschechow Künstlertheater Moskau und einer sehr freien Inszenierung der Komödie Ein idealer Gatte von Oscar Wilde zurück. Und was Frljić für den Balkan ist, scheint Bogomolov für das russische Theater zu sein: ein mehr oder weniger rotes Tuch! Die orthodoxe Organisation „Gottes Wille“ hat laut Programmheft zumindest in Moskau versucht seine Inszenierung am Künstlertheater abzusetzen. Und auch der stellvertretende russische Kulturminister Schurawskij bat den Intendanten Oleg Tabakow, alle Bogomolov-Inszenierungen aus dem Spielplan zu nehmen.
Aber Bogomolovs Idealer Gatte zieht die Moskauer förmlich magisch an. Und auch in Wien hat der Regisseur leichtes Spiel. Das Museumsquartier scheint fest in russischer Hand. Gleich zu Anfang geht unter großem Beifall der European Songcontest klar an Russland. Bogomolov hat Wildes englische Gesellschaftssatire auf russische Verhältnisse getrimmt. Der ewige Junggeselle Lord Goring ist hier der schmalzige Schlagerstar Lord (Igor Mirkurbanow), der zu Ehren seines Freunds Robert Ternew (Alexej Krawtschenko), Minister für Gummiwaren, ein Konzert im Kreml gibt. Er singt von weißen Birken und russischem Himmel, und auf Videoleinwänden sieht man die passenden Naturbilder dazu.
Dass die beiden auch ein Liebespaar sind, erfährt man erst später, als die Gummifabrikantin Misses Cheavley (Marina Sudina) ein verfängliches Video als Erpressungsversuch vorlegt, um als Siegerin aus einer Staatsausschreibung hervorzugehen, deren Auftrag Ternew lieber seiner eigenen Frau Gertruda (Daja Moros) zuschustern wollte. Homophobie, Bigotterie und Korruption sind die Themen von Bogomolows Inszenierung, mit denen er konkret russische Probleme geißeln will. Nationalismus, Vetternwirtschaft und Staatsnähe von Künstlern mal anders herum. Dazu eine schwadronierende und koksende High Society von Business People, Modedesignern und Partygirls. Und auch die orthodoxe Kirche bekommt ihr Fett weg als Betreiber eines Waisenhauses, in dem Lord sich einen blonden Waisenknaben (Pawel Tschinarew) adoptiert, wie aus einem Bordell für zahlungskräftige Pädophile.
Das klingt schärfer als es letztendlich ist. Die bösen Klischees sind fein ironisch verpackt und kommen nicht gerade mit dem Holzhammer, außer in den Sätzen von Lords Vater (Alexander Semtschew), einem alten Kriegsveteran, bei dem Putin schon mal vor den Toren Wiens steht. Über einige Witze kann hier im Westen aber nur lachen, wer die genauen Hintergründe kennt. Und doch ist Bogomolovs Farce bis zur ersten Pause sehr unterhaltsam, wenn man konventionelles Konversationstheater im stylischen Bühnenambiente mit Doppelbett und Sanitärtrakt wie in der Berliner Schaubühne mag.
Im zweiten Teil wird es dann schon etwas schärfer, wenn auch im Gewand einer Parabel, die sich Bogomolov ebenfalls bei Oscar Wilde borgt und mit Elementen aus Goethes Faust I kombiniert. Nun tritt der Schauspieler Sergej Tschonischwili als Dorian Gray auf und lässt sich sein Portrait von einem idealistischen jungen Künstler am TV-Bildschirm kreieren. Der bekommt Orden an die Brust und hängt später, nachdem er das Bildnis zurückgefordert, wie Jesus am Seil. Dorian Gray, den man sich hier unschwer als Politiker vorstellen kann, geht derweil einen Pakt mit der Kirche ein. Ein Pope (Maxim Matweew) mutiert zum Mephisto und beseitigt alle Mitwisser. Zwischendurch fährt man zum Ski nach Sotschi, Sinatra singt "Let it snow", und der Rubel rollt. Die Welt ist die Hölle, denn wo brächte man sonst so viele Sünder unter.
Im letzten Teil wird wieder Komödie gespielt. Und wie schon zuvor covert sich Bogomolov durch die russische Literaturgeschichte mit Anspielungen an Puschkin, Turgenjew und natürlich Anton Tschechow, dessen Drei Schwestern nun als Edelnutten im Moskauer Café Vogue mit ihren Handys spielen, während sie vom Leben und Arbeiten sinnieren und auf solvente Freier warten. Es gibt noch ein bisschen Medienschelte bei einer Live-TV-Übertragung von Lords und Cheavleys Hochzeit mit Werbeeinblendungen. Das verhinderte schwule Paar stirbt zur Schlussszene von Shakespeares Romeo und Julia. Tot sind auch die Staatsschauspielerin Nina Zarečnaya (Die Möwe) sowie der letzte russische Intellektuelle, und Regisseur Bogomolov scheint sich hier selbst auch ein wenig als neuer Bulgakow zu gefallen. Vieles in seiner Inszenierung erinnert vom Aufbau her an dessen Roman Der Meister und Margarita. Das sind durchaus starke Bilder, die in Russland sicher verstören und somit ihre Berechtigung haben. Das Publikum dankt es dem aus Moskauer Team jedenfalls mit viel Beifall.
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Ein idealer Gatte durch das Tschechow Künstlertheater Moskau | Foto (C) Ekaterina Tsvetkova
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Stefan Bock - 30. Mai 2016 ID 9350
EIN IDEALER GATTE. KOMÖDIE (Halle E im Museumsquartier, 27.05.2016)
Regie: Konstantin Bogomolov
Bühne: Larisa Lomakina
Kostüme: Natalja Kanewskaja
Licht: Damir Ismagilow
Musik: Natalja Trichleb
Choreografie: Julia Kawezkaja
Regieassistenz: Olga Rosljakowa
Mit: Nadjeschda Borisowa, Andrej Burkowsky, Rosa Chairullina, Swetlana Kolpakowa, Alexej Krawtschenko, Maxim Matweew, Igor Mirkurbanow, Darja Moros, Wassili Nemirowitsch-Dantschenko, Jana Osipowa, Artjom Pantschik, Wladimir Pantschik, Alexander Semtschew, Marina Sudina, Pawel Tschinarew, Sergej Tschonischwili, Pawel Waschchilin u.a.
Gastspiel des Tschechow Künstlertheaters Moskau zu den WIENER FESTWOCHEN
Weitere Infos siehe auch: http://www.festwochen.at
Post an Stefan Bock
blog.theater-nachtgedanken.de
Wiener Festwochen
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