Vernissage
RED PIECES in der Volksbühne Berlin
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to come (extended) von Mette Ingvartsen | Foto (C) Jens Sethzman
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Bewertung:
Noch bis zum Samstag kann die neue Volksbühne Berlin-Community [die sich, wie ich das jetzt zum ersten Mal vor Ort in meiner eigentlichen Unbeteiligtheit zur Kenntnis nahm, mehr oder weniger aus Tanz- und Kunstliebhabern oder ein paar diesbezüglich Neugierigen und noch nie zuvor in diesem Haus je Aufgeschlag'nen generiert] Gelegenheit, einem thematischen Event zum Thema Sex live beizuwohnen. Red Pieces heißt die ca. 5stündige Chose, hat drei resp. vier Programmblöcke mit zwei Performances im Großen Haus, diversen Filmvorführungen im Sternfoyer oder Roten Salon und einem sog. Late-Night-Vortrag unterm Motto The Permeable Stage; ja und man kann sie (gottlob!) vorzeitig auch ruhig wieder verlassen - schon beim zweiten jener zwei performten Stücke waren dann nur noch zwei Drittel Saalsitze besetzt, wiewohl das anwesende "neue" Volk am Rosa-Luxemburg-Platz, hätte sich wer (aus akuter Langeweile) je die Zeit und Muße für Ab-Zählungen genommen, einen gleichsam transparenten sprich durch-/überschaubaren Gesamteindruck unaufgeregter Weise hinterließ.
Die beiden künstlerisch nicht unbedeutungsvollen Beiträge des als Premiere angezeigten Themenabends setzten sich aus den bereits im September und November andernorts (beim steirischen herbst bzw. im PACT Zollverein Essen) uraufgeführten Choreografien to come (extended) sowie 21 pornographies zusammen - beide von der dänischen Performerin und Tänzerin Mette Ingvartsen stammend:
Beim einstündigen to come (extended) sieht man eine halbe Stunde lang 15 vollständig in Türkisblau eingefrommsten PerformerInnen zu, wie sie diverse Sex-Praktiken in und aus der Gruppe skulptural und in sehr schönen und auch witzig anzusehenden Akt-Positionen nachvollziehen. Eine stilisierte Sex-Orgie, wie sie gewiss auch in der Tate Modern in London vorzeigbar gewesen wäre; hübsch-steril gemacht. Die zweite halbe Stunde bringt uns dann (hochendlich!!) die zuvor in den türkisblauen Ganzkörperfrommsern eingezwängt gewes'nen MENSCHEN fröhlich, leicht und splitternackt zum Vorschein. Erst mal imitierten sie ein paar Minuten Gruppen-Sex- und Lustschreie und -laute (vor, während und nach entsprechenden Erregungsszuständen), um danach schließlich in ein ausuferndes Naked Dance mit stimmiger und aufheizender Big-Band-Music aus den munter'n Sechzigern oder davor oder danach überzuleiten - und da sprang der Funke tatsächlich auch allersinnlichst über, und da rasteten dann auch die Zuschauenden hinterher so richtig aus; zurecht!!
Die Solo-Performance 21 pornographies setzte sich dann fifty-fifty aus 'nem sich akustisch unentwegt-unendlich hinziehenden Monologgebaren (auf Englisch) inkl. körperlicher Individualsprach-Gesten zusammen. Ingvartsen konstruierte eine Art von dramaturgischer Grundsituation, in der es solche "handelnden" Personen wie z.B. einen Präsidenten, einen Bischof, einen General, eine Dame in Schwarz, ein Mädchen in Weiß, eine Frau am Klavier u.v.a. gegeben haben sollte; ja und mit und zwischen diesen Leuten sollte halt dann Sexuelles, und in jeder auch nur denkbar möglichen Spiel- oder Abart, "durchgehandelt" sein. Ganz nebenbei konnte dann die Akteurin nicht ihr Wasser halten und tat selbstbewusst auf off'ner Bühne urinieren. Das Brutal-Finale tat sich mir dann im direkten Kontext zum berüchtigten Folterskandal von Abu Ghraib (2004) erschließen; Ingvartsen, mit einem schwarzen Sack überm Gesicht, kreiselt sich da, eine brennende Leuchtstoffröre über sich erhebend, in die Trance - sah aus, als wenn da wer wo aufgehängt sein würde und ein anderer ihn fortwährend quasi am Haken drehte. Deprimierend.
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Und im Sternfoyer, zwischen den zwei Performances, gingen oder saßen oder standen Leute rum, die meisten mit einem Getränk in ihrer Hand; geübtes Vernissage-Verhalten - während von der Leinwand ein paar alte Sex-Kunst-Filmchen (wo es Muschis, Schwänze und SM-Praktiken hie und da zu sehen gab) herabflimmerten.
Fremd und trostlos alles das.
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21 pornographies von Mette Ingvartsen | Foto (C) Marc Domage
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Andre Sokolowski - 14. Dezember 2017 ID 10423
RED PIECES (Volksbühne Berlin, 13.12.2017)
21 pornographies
Konzept, Choreographie und Performance: Mette Ingvartsen
Licht: Minna Tiikkainen
Sound Design: Peter Lenaerts
Bühne: Mette Ingvartsen und Minna Tiikkainen
Dramaturgie: Bojana Cvejic
Technische Produktionsleitung: Hans Meijer
Soundtechnik: Adrien Gentizon
Uraufführung im PACT Zollverein Essen war am 17. November 2017.
Eine Produktion von Mette Ingvartsen / Great Investment in Koproduktion mit: Volksbühne Berlin, PACT Zollverein (Essen), Kaaitheater (Brüssel), Kunstencentrum BUDA (Kortrijk), Les Spectacles vivants – Centre Pompidou (Paris), Dansehallerne (Copenhagen), BIT Teatergarasjen (Bergen), Julidans (Amsterdam), CCN2 - Centre chorégraphique national de Grenoble
to come (extended)
Konzept und Choreografie: Mette Ingvartsen
Mit: Johanna Chemnitz, Katja Dreyer, Bruno Freire, Bambam Frost, Ghyslaine Gau, Elias Girod, Gemma Higginbotham, Dolores Hulan, Jacob Ingram-Dodd , Anni Koskinen, Olivier Muller, Calixto Neto, Danny Neyman, Norbert Pape und Hagar Tenenbaum (Alberto Franceschini, Manon Santkin)
Licht: Jens Sethzman
Musikarrangements: Adrien Gentizon
Bühne: Mette Ingvartsen und Jens Sethzman
Blue Suits: Jennifer Defays
Dramaturgie: Tom Engels
Lindy Hop Lehrer: Jill De Muelenaere und Clinton Stringer
Technische Leitung: Hans Meijer
Tontechnik: Adrien Gentizon
Uraufführung beim steirischen herbst war am 22. September 2017.
Eine Produktion von Mette Ingvartsen / Great Investment in Koproduktion mit: steirischer herbst, Volksbühne Berlin, BUDA Kortijk, Festival d’Automne, Les Spectacles vivants / Centre Pompidou, Dansehallerne Copenhagen, CCN2 – Centre choré-graphique national de Grenoble, Dansens Hus Oslo, SPRING Performing Arts Festival, NEXT / le phénix scène nationale Valenciennes pôle européen de création
The Permeable Stage
Performative Konferenz mit Vorträge von Petra Van Brabandt, Melanie Richter-Montpetit, Austin Gross und Marie-Luise Angerer
Im Roten Salon
Weitere Infos siehe auch: http://www.volksbuehne-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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