Doofe
Bänker
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Die Kunden werden unruhig im Ambulatorium Theater auf dem RAW-Gelände Berlin-Friedrichshain | Foto (C) Natasha Morokhova
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Bewertung:
Vorgestern (= Reformationstag in Brandenburg) war wieder mal so ein Berliner Einkaufstag zum Abkotzen. Das Kundenpack aus Brandenburg, und nicht allein von dorther, schwärmte in die Einkaufstempel des Berliner Umlands ein - auch in das Forum Köpenick, da wo ich in der Nähe wohne und halt, weil mein Drucker leer war, schnell noch 'ne Patrone holen musste; und dann sah ich dieses Pack mit seinem "Kaufen, kaufen, kaufen!!!"-Antlitz haufenweise, unausweichbar und mit vielem "Kaufen, kaufen, kaufen!!!"-Schaum vorm Mund. Wie furchtbar alles das, so dachte ich mir da... Nur fort!
[Der ambitionelle Widerwille, um nicht gar zu sagen Ekel, rührt beim Schreiber dieser Zeilen daher, dass er selber früher mal im Einzelhandel als Verkäufer tätig war und deshalb diesen Gegner - "jeder Kunde, dein Feind", trösteten wir so arg vom Kundenpack geschund'nen Einzelhandelsmitarbeiter uns dann immer gegenseitig - potenziell als Ungetüm begriff, erfuhr, mental zerarbeitete. Alte Wunden sozusagen.]
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Nein, um so was (s.o.) gehts im Stück Die Kunden werden unruhig nicht. Sondern:
"Drei Schauspieler treffen sich auf einer Bühne. Sie stellen dar: eine Personaltrainerin, einen Bankangestellten und dessen Chefin. Die wiederum sind Teilnehmer einer Coaching-Maßnahme, die in einem gesichtslosen Tagungshotel in Autobahnnähe stattfindet. Ein Psychothriller entspinnt sich, indem Figuren wie Spieler zu Marionetten desselben Unternehmens, derselben Inszenierung werden, die jeden Moment zu platzen droht. Hat die Chefin eine Bankräuberin engagiert, um ein Kundengespräch des Angestellten zu verhindern, das ihre illegalen Geldtransfers ans Tageslicht bringen könnte? Sind die Bankräuberin, die Kundin und die Personaltrainerin ein und dieselbe Person? Wie in eine Halluzination blickt Johannes Schrettle [...] in eine Gegenwart der Kontrolle und Sicherheit, eine Gegenwart der Bankomaten und genormten Architekturen. Bühnenrealität und dramatische Fiktion verschwimmen zusehend zu einer Matrix; einer Welt der Sex-, Revolutions- und Schlaflosigkeit, einer Welt des grenzenlosen Kapitalismus, in der es abseits von Kontoständen wenig Gewissheiten gibt." (Quelle: heschel-schauspiel.de)
Aha.
Trotzdem: Es ist ein grauenhaftes Stück, sein Text verliert sich in abstruse Fantasien, hört sich stark unübersichtlich an und ist schon (mit Verlaub) ein bisschen krank...
Christina Emig-Könning - die nicht tot zu kriegende Steh-auf-Frau aus dem Friedrichshain (Ex-Gründerin und Ex-Chefin der von den Städtischen Behördengeizhälsen einfach so abgewickelten Ex-Theaterkapelle Berlin) - hatte es jetzt zum zweiten Male inszeniert; sie muss den Stücktext also über alle Maßen schätzen oder lieben. Ist für uns nicht nachvollziehbar, aber Fakt.
Die drei AkteurInnen (Maren Claus, Eva Paulina Loska und Peter Schmalz), die sie für die im Ambulatorium Theater auf dem RAW-Gelände inszenierte Aufführung bestellte, machen ihre Arbeit hochverzüglich-spielgelaunt und also gut. Es gibt ja eine Unmasse von Material, die da gesprochen werden muss. Am Anfang hört und sieht man da noch gut gelaunt und willig hin - zum Ende hin hat allerdings die Kralle "satt & müde" kräftig zugehauen; doch das liegt eindeutig an der allzu dümmlich-überambitionierten Werksvorlage, weniger bzw. nicht an ihrer Umsetzung.
Wir wussten ja schon lange vorher, dass die doofen Bänker schuld an allen Übeln dieser Welt sind. Diese ganze Scheiße lässt sich nun mal leider auch nicht ändern; sie ist (auch) der Preis für unser sogenanntes freiheitliches Wertesystem. Ja, träumen wir uns ruhig dann fort in andere utopische Gefilde, wo es noch mehr "freiheitlicher" also "besser" wäre. Ohne Banken oder so. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
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Die Dame scheint etwas lädiert zu sein bei Emig-Könnings Inszenierung vom Schrettle-Stück Die Kunden werden unruhig im Ambulatorium Theater auf dem RAW-Gelände Berlin-Friedrichshain | Foto (C) Natasha Morokhova
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Andre Sokolowski - 2. November 2014 ID 8217
DIE KUNDEN WERDEN UNRUHIG (Ambulatorium Theater auf dem RAW-Gelände, 01.11.2014)
Regie: Christina Emig-Könning
Produktion/Dramaturgie/Assistenz: Anke Wagner und Julia Fahle
Ausstattung: Olf Kreisel
Technik/Beleuchtung: Holger Duhn
Besetzung:
Die Führungskraft ... Maren Claus
Die Personaltrainerin ... Eva Paulina Loska
Der nervöse Kollege ... Peter Schmalz
Uraufführung im Theater Osnabrück war am 6. September 2013
(Zweite) Berliner Premiere: 17. Oktober 2014
Letzter Termin: 2. 11. 2014
Eine Emig-Könning Produktion
Gefördert vom Kulturamt Friedrichshain-Kreuzberg
Weitere Infos siehe auch: https://www.facebook.com/ekproduktion
Post an Andre Sokolowski
http://www.andre-sokolowski.de
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