Zwischen Abriss und Neubeginn
Die Berliner Kudamm-Bühnen beenden ihre Ära am 27. Mai 2018, ziehen (vorübergehend) in das Schillertheater um und starten dort am 19. September mit WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS ihre Interims-Spielzeiten - bis zum "Wiederrückzug" an den alten Platz in einen unterirdischen Neubau
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Foto (C) Loredana LaRocca
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Die beiden Schwesternhäuser Theater & Komödie am Kurfürstendamm - auch als die sog. Kudamm-Bühnen im öffentlichen Bewusstsein - werden nun, nach einem langen Hin und Her der damit im Zusammenhang stehenden Grundentscheidungen, ab Ende Mai 2018 abgerissen; und kein Stein wird auf dem anderen mehr stehen bleiben - optisch 'rückbesinnen wird man sich fortan dann nur noch mittels schöner Bilder aus vergangener und jüngster Zeit an das, was dermaleinst an Stelle der zwei Hausnummern 206/209, nur ein paar kurze Schritte voneinander weg, physisch gestanden haben soll. Freilich: Die Hirne und die Herzen der Alt-Westberliner werden ihre großartigen Boulevard-Erinnerungen an die zwei Theater'chen "bis dass der Tod sie scheidete" aufs Intensivste und auch Innigste bewahren, und es wird ihnen gewiss der Kamm anschwillen, wenn sie, rein gedanklich, auf den (von der geld- als wie gewinngierigen Immobilienwirtschaft, aber auch von unprofessionellem Zutun des Senats in dieser allzu komplizierten Kausa haupt- und mitverschuldeten) Vernichtungsakt gebracht sein werden. Dieses gnadenlose Trauerspiel hat irgendwie schon generell etwas mit der egalitären Ignoranz und/oder dem kulturpolitischen Dilletantismus dieser einerseits so großkotzigen und doch andrerseits in Gelddingen so ruchlos über ihre eigenen Verhältnisse hinaus misswirtschaftenden merkwürdigen Stadt zu tun!
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Theater und Komödie am Kurfürstendamm - oben die Außenansicht vom Theater am Kurfürstendamm, darunter das Foyer und der Saal der Komödie am Kurfürstendamm Fotos (C) Thomas Grünholz
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Das vom Architekten Oskar Kaufmann [der dann auch fürs Hebbeltheater, die Volksbühne oder das Renaissancetheater in Berlin zuständig war] im Stile eines "expressionistischen Rokkoko" entworfene Theater am Kurfürstendamm eröffnete 1921 - die Komödie drei Jahre später [1924]; geleitet wurden beide Häuser von Max Reinhardt. Als er finanziell, v.a. wegen der Weltwirtschaftskrise, in Bedrängnis kam, gab er den Laden auf und emigrierte [ein Jahr nach dem Machtantritt der Nazis] 1934 in die USA. Das war die Stunde Null des - bis zur Gegenwart - die beiden Häuser quasi ununterbrochen als Familienbetrieb geleitet habenden Wölffer-Clans; Hans Wölffer (1904-1976) war der erste in der "Erbfolge", er wurde allerdings dann 1942 von den Nazis enteignet, auch weil er staatliche Zensuren unterlief und sowieso oft mit den damaligen Machthabern auf Kollisionskurs stand. Nach Kriegsende eröffneten die beiden schwer beschädigten Häuser 1946/47 wieder: die Komödie mit Kabale und Liebe, das Theater mit Ein Sommernachstraum. 1949 übernahm der Verein der Freien Volksbühne [nicht zu verwechseln mit der Volksbühne am heutigen Rosa-Luxemburg-Platz!] das Theater am Kurfürstendamm, wo ab sofort v.a. zeitgenössische Stücke im Spielplan standen; Rolf Hochhuth´s Der Stellvertreter wurde beispielsweise in der Ära welturaufgeführt - die auf 600 Plätze aufgestockte Komödie übernahm dann zwischenzeitlich wieder Hans Wölffer; ab den 1950ern bot sie ein sicherlich nicht unwillkommenes Kontrastprogramm mit leichter aber anspruchsvoller Muse; alles, was zur jungen Wirtschftaswunderzeit mit Rang und Namen zur Verfügung stand, ließ sich hier engagieren und sorgte im Umkehrschluss für volle Kassen. 1965 wurden die zwei Wölffer-Söhne Jürgen & Christian zu Mitgesellschaftern ernannt - und sie bestellten die Geschäfte auch zu einer Zeit, wo [in 1970] die allmähliche Zäsur erfolgte, nämlich mit dem Bau des sog. Kudamm-Karrées; und plötzlich klemmten die zwei Häuser mittendrin in einem weitläufigen Einkaufszentrum, was am Anfang ihrem theatralen Selbstlauf eigentlich ganz gut tat. Jürgen Wölffer übernahm in 1976 beide Häuser, und sie flutschten ohne Unterlass...
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BOULEVARD BERLIN - Ein Jahrhundert Komödie am Kurfürstendamm: Theaterintendant Jürgen Wölffer und sein Bruder Christian Wölffer, 1979 | Foto: Harry Croner © Stadtmuseum Berlin
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Kurz nach dem Mauerfall kam dann der großen Schnitt: Im Westen gab man ein Theater nach dem andern auf - die früheren Besucher wollten jetzt die reichhaltige Ostberliner Bühnen- und Konzertlandschaften kennenlernen. Und: Das Kudamm-Areal, auf dem die Kudamm-Bühnen nun mal standen, wurde mehrfach-meistbietend an immer wieder neue Eigentümer wegverhökert; mitten in der "Krisenzeit" tat Martin Woelffer die Geschicke übernehmen...
Bis die Deutsche Bank [als Immobilieneignerin des Areals 2005] die Mietverträge zum 31.12.2006 kündigte - das Grundstück wechselte noch weitere drei Male den Besitzer - - erst im Februar 2017 gab es, nach lang anhaltenden Demo´s und Protesten gegen die Theaterschließungen, den zwischen dem Investor, dem Senat und dem Theaterleiter ausgearbeiteten Kompromiss, dass Woelffer (und im Gegenzug für den bevorstehenden Abriss "seiner" beiden Häuser) interimsmäßig im Schillertheater weiterspielen könnte, bis ein neues (unterirdisches!) Theater auf dem neugestalteten Karrée, das allerdings erst noch zu bauen wäre, zur Verfügung stünde.
Na dann: Toi, toi, toi!!!
Gerade finden noch paar definitiv letzte Vorstellungen in der "historischen" Komödie am Kurfürstendamm statt; das benachbarte Theater hat schon zu.
Ich war vor Christi Himmelfahrt - nicht minder melancholisch wie so mancher anderer Besucher außer mir gestimmt - in Ladies Night, einer 1987 im neuseeländischen Auckland uraufgeführten Männer-Komödie, deren Plot sich so hier liest:
"Kein Job, kein Geld, keine Zukunft: Barry, Craig und Norman treffen sich Tag für Tag in der Kneipe und warten, dass die Tage vergehen. Craig ist geschieden und zu allem Unglück sind auch noch die Gläubiger hinter ihm her. Norman muss mit ansehen, wie seine Frau durch ihre ausgiebigen Einkäufe auch die letzten gemeinsamen Ersparnisse verbraucht und Barry kann sich nicht mal mehr ein Bier leisten.
Irgendwie müssen also alle dringend zu Geld kommen. Als schließlich die Chippendales, eine Männer-Striptruppe, in die Stadt kommen und die Frauen in Scharen in deren Shows strömen, hat Craig die Idee, es der Truppe gleich zu tun: Es kann ja schließlich nicht so schwer sein mit den Hüften und dem Hintern zu wackeln. Er und seine Freunde sind zwar weder schön noch blutjung, haben dafür aber jede Menge Persönlichkeit! Um die Strippertruppe komplett zu machen, geben sie eine Anzeige auf und schon bald sind 'Die wilden Stiere' – wie sie sich selbst nennen – zu sechst."
(Quelle: Komödie am Kurfürstendamm)
Das war hübsch und nett von Regisseur Folke Braband in Szene gesetzt, und in der Tat ließen die fünf Betroffenen (außer Gisbert-Peter Terhorst, der übrigens so aussah wie Lee Marvin) - zu dem allergrößten Gaudi der im Publikum prozentual leicht "übergewichtigen" und durchaus hocherwartungsvoll gewes'nen Frauen - ihre Hosen fallen, ja und all der zustimmende Jubel darauf war natürlich riesengroß!
Bewertung:
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Ladies Night in der Komödie am Kurfürstendamm | Foto (C) Thomas Grünholz
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Andre Sokolowski - 11. Mai 2018 ID 10693
LADIES NIGHT (Komödie am Kurfürstendamm, 09.05.2018)
Regie: Folke Braband
Bühne: Tom Presting
Kostüm: Monika Seidl
Choreografie: Angela Hercules-Joseph
Besetzung:
Craig ... Pascal Breuer
Barry ... Ral Komorr
Norman ... Torsten Münchow
Wesley ... Eduard Burza
Gavin ... Dominik Meurer
Grahame ... Gisbert-Peter Terhorst
Wiederaufnahme war am 2. Mai 2018.
Weitere Termine: 11.-13.05.2018
Eine Produktion des Fritz Rémond Theater Frankfurt in Zusammenarbeit mit der Komödie am Kurfürstendamm
Weitere Infos siehe auch: http://www.komoedie-berlin.de
http://www.andre-sokolowski.de
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