Marianne, Hete
und ihre Schwestern
Feminismus als bürgerliche Angelegenheit
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Anna Bergmann, die neue Schauspieldirektorin am Badischen Staatstheater Karlsruhe, hat angekündigt, dass sie ausschließlich weibliche Regisseurinnen engagieren werde. Schön und gut. Ein Akt ausgleichender Gerechtigkeit.
Als erstes, ab 30. September, wird sie eine Ibsen-Bearbeitung unter dem Titel Nora, Hedda und ihre Schwestern zeigen. Das passt zur Programmatik. Anna Bergmann interessiert sich für Frauenschicksale und will für sie Interesse erwecken. Aber Vorsicht! Ihr Interesse ist punktuell. Anna Bergmann interessiert sich für die Bankdirektorsgattin Nora und für die Generalstochter Hedda Gabler, im weiteren Verlauf des Jahres darüber hinaus für die Rechtsanwältin Marianne aus Ingmar Bergmans Szenen einer Ehe, für die Gouverneursnichte Beatrice, für die Königstochter Iphigenie. Für Ödön von Horváths Marianne, Elisabeth oder Karoline ist auf dem Spielplan ebenso wenig Platz wie für Bertolt Brechts Pelagea Wlassowa, Friedrich Wolfs Hete, Franz Xaver Kroetz‘ Beppi oder Caryl Churchills Marlene. Anna Bergmanns Interesse ist in sozialer Hinsicht ebenso beschränkt wie es in der Frage des Geschlechts fixiert ist.
Der Feminismus des deutschen Theaters, jedenfalls aber Anna Bergmanns Feminismus, ist eine zutiefst bürgerliche Angelegenheit. Es geht um einen größeren Anteil an den Privilegien der Männer jener Klasse, der man (vielmehr: frau) selbst angehört. Konkurrenz statt Klassenkampf, ganz im Sinne der regierenden Männer und Frauen. Und wer hier Widerspruch anmeldet, gewinnt an Glaubwürdigkeit, wenn sie oder er mehr Gerechtigkeit für alle anstrebt und nicht nur die Verteidigung der eigenen Interessen. Die Gehälter der Sekretärinnen stehen nicht zur Debatte. Sie interessieren, anders als die Regieaufträge, ebenso wenig wie die Geschicke proletarischer Frauen. Das war schon einmal anders.
Man (und frau) stelle sich vor: eine Schauspieldirektorin, die ausschließlich Regisseurinnen und Regisseure einstellt, welche aus nicht-bürgerlichen Familien stammen. Undenkbar? Warum eigentlich? Vielleicht interessieren die sich sogar für Nora, Hedda und ihre Schwestern. Weil sie nämlich Erfahrungen haben mit Diskriminierung und Ungerechtigkeit.
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Nora, Hedda und ihre Schwestern - demnächst am Badischen Staatstheater Karlsruhe | Foto: Sebastian Pircher; Bildquelle: staatstheater.karlsruhe.de
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Thomas Rothschild - 2. September 2018 ID 10884
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatstheater.karlsruhe.de/
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