Marienplatz von
Beniamin M. Bukowski
Gestreamte Uraufführung im Marstall des Residenztheaters München
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Bewertung:
Der polnische Stückeschreiber Beniamin M. Bukowski (30) nahm 2019/20 an der vom Residenztheater München veranstalteten Plattform für internationale zeitgenössische Dramatik unter dem Slogan "Welt/Bühne" teil; die Stadt und ihr Theater (konkret: das Resi) während einer zwölfwöchigen Residenz kennenzulernen "und im Austausch mit dem künstlerischen Team und dem Ensemble neue Stücke zu entwickeln" waren Anlass und Programm zugleich. Bukowski stieß bei der Gelegenheit auf einen realen Vorfall aus dem Jahre 2017:
"Am 19. Mai gegen drei Uhr früh fuhr ein Mann mit seinem Auto auf den Münchner Marienplatz, übergoss sich mit mehreren Litern Benzin und zündete sich an. Er verstarb kurze Zeit später im Krankenhaus und bis heute haben sich weder seine Identität noch die Umstände seiner Selbstverbrennung aufgeklärt, wohl aber Anlass zu Spekulationen verschiedenster Couleur gegeben. [...] Was könnte die rätselhafte Tat bedeuten? Sagen die Interpretationsansätze womöglich mehr über die Zuschauer*innen aus als über den Täter selbst? Und wie erzählt man von einer solchen Tat im Theater? Seine eigenen Erfahrungen während der Recherche in München gibt der Autor an die Schauspieler*innen weiter und spinnt ein diskursives Netz über den Begriff des Opfers und den ambivalenten Umgang mit Eigen- und Fremdwahrnehmung." (Quelle: residenztheater.de)
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"Ich habe es satt, und davon soll dieses Stück handeln" ist vielleicht der wichtigste, wenn nicht sogar entscheidende Satz in der via Internet gestern Abend nachverfolgbar gewesenen anderthalbstündigen Online-Version von Bukowskis Marienplatz; und ich deutete ihn nachgerade etwa so:
Der junge Autor langt im Münchner Resi an und ist sich selbstverständlich der (als Gegenleistung für seine rundum gesponserte Stadt-/ Bühnenresidenz) verpflichtenswerten Bringeschuld bewusst, etwas für das Theater "abzuliefern". Und so sucht und forscht und recherchiert er nach was Passendem und findet es sogleich und tut dann dies & das, was zu dem Passenden womöglich auch noch passen könnte, mit hinzu erwägen und erfinden und - das Schlimmste, was einem Autor passieren kann - mit oder von der Gegenseite diskutieren (heißt: zerquatschen) lassen.
Ja und was an "Kollektivem" dabei rauskam, legte der Bukowski seinen handelnden Personen prompt in alle Munde - insbesondere tat er sich als quasi selbst mitspielender Autor sozusuagen stückverewigen; diesem Autorenpart entsprach dann ziemlich überzeugend Schauspieler Moritz von Treuenfels.
Hingegen war über jenen sich selbst verbrannt habenden großen Unbekannten [s. o.] nichts oder so gut wie nichts zweckdienlich Menschliches erfahrbar, also nichts besonders "Großartiges", was mir diesen armen Irren und seine irrwitzigen Motive (menschlich) hätte näher gebracht haben können. Im Ganzen fühlte ich mich einem nervenden und wenig oder nichts sinnstiftenden Gefasel ausgesetzt; und immer wieder wurde von der Schauspieltruppe auf den (alles und doch nichts bedeutenden) "Nie wieder Krieg"-Satz, den der irre und historisch existiert habende Münchner Selbstverbrenner auf sein Auto gekritzelt hätte, 'rumgeritten und dabei hübsch Xylophon gespielt.
Vom Stückstoff mehr als Abweichendes lieferten dann zusätzliche Sprechblasen, in denen es um Gott und Abraham und Isaak oder um bayerische Polizistinnen und Polizisten oder um die Philosophen Giorgio Agamben, Carl Schmitt gegangen war.
Ein komisches Gefühl nach Rezipierung all dieser Gemengelage.
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Thomas Lettow in Marienplatz von Beniamin M. Bukowski am Residenztheater München | Foto (C) Sandra Then
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Andre Sokolowski - 9. Januar 2021 ID 12683
MARIENPLATZ (Marstall, 19.12.2020)
von Beniamin M. Bukowski
Inszenierung: András Dömötör
Bühne und Kostüme: Sigi Colpe
Musik: Tamás Matkó
Video: Jonas Alsleben
Licht: Barbara Westernach
Dramaturgie: Leila Etheridge
Mit: Liliane Amuat, Nicola Kirsch, Thomas Lettow, Hanna Scheibe, Myriam Schröder und Moritz von Treuenfels
Uraufführung am Bayerischen Staatsschauspiel war am 19. Dezember 2020.
Stream auf residenztheater.de v. 08.01.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.residenztheater.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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