Kleiner Warm-up
in der Boxengasse
|
Goodyear von René Pollesch am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair
|
Bewertung:
Zuerst, es darf wieder vor Publikum Theater gespielt werden. Das ist gut so. Im Rahmen des Berliner Pilotprojekts Testing gehen die Theater nach einem guten halben Jahr Corona-Bremse wieder an den Start. Den Anfang macht das Deutsche Theater Berlin mit einem neuen Stück von René Pollesch mit dem Titel Goodyear. Und als gut bereifte TestpilotInnen treffen sich Christine Groß, Astrid Meyerfeldt, Jeremy Mockridge, Sophie Rois und Katrin Wichmann zum kleinen Warm-up in der Boxengasse. Es geht tatsächlich um den sogenannten Formel-1-Zirkus, aber auch wie immer um die Schauspielerei. Ein typischer Pollesch-Mix aus Film-Zitaten von Hitchcock bis Visconti, Philosophischem von Slavoj Žižek und mit viel Musik u.a. von Nick Lowe und den Stray Cats.
Alles beim Alten im Theater, könnte man sagen, wenn die Erwartungen an die viel beschworene künstlerische Kreativität im Lockdown nicht etwas zu hoch geschraubt wären. René Pollesch ist im Moment nicht nur vielbeschäftigter Theaterautor sondern auch designierter Volksbühnen-Intendant. Ein Job, den er am Ende dieser zweiten Corona-Spielzeit antreten muss. Also neben Wiener Burg und Berliner Rosa-Luxemburg-Platz schnell noch mal 75 Minuten Diskurs-Rallye am DT.
Was das frisch getestete, genesene oder bereits durchgeimpfte Berliner Testpublikum dann geboten bekommt, ist vor allem erstmal eine wie Daniel Düsenrieb aufgedrehte Sophie Rois, die nicht mehr aus ihrer Film-Rolle als Rennfahrer herauskommt, während der Rest des Reifen-Teams versucht, zumindest einen Fuß hineinzubekommen. Gerade, Kurve, Schleife, dem Text-Boliden von René Pollesch geht da leider fast der Sprit aus. Dafür fährt ein überdimensionaler hochhackiger Glitzerschuh mit Astrid Meyerfeldt über die Bühne. Ein „Stöckelschuh mit PS“ und kleiner Sidekick an Friedrichstadtpalast-Bühnenbilder und die große Geste, die hier schöner sein soll als ein Satz.
„Etwas ist schön, wenn es unmittelbar verständlich ist“, lautet dann auch eines der schönen Pollesch-Bonmots. Ansonsten übt man sich in Kostümwechseln, Slapstick und gefakten Filmprügeleien, bei denen mächtig Zähne gespuckt werden. Polleschs Liebeserklärung an das gute alte Kino. Ein Versprechen an die Unsterblichkeit, das doch irgendwann verblasst. Und auch wenn sich die Truppe mal als Fahrerwitwen in schwarz an der Rampe treffen und die alten Geister wie in einer Art Séance beschwören, ist das Theater nicht tot und Misserfolg kein Unrecht. Und nachdem Sophie Rois am Ende nochmal Musik, Liebe und Schönheit preist, entlädt sich erleichtert der Beifall im Saal.
|
Goodyear von René Pollesch am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair
|
Stefan Bock - 28. Mai 2021 ID 12937
GOODYEAR (Deutsches Theater Berlin, 26.05.2021)
Regie: René Pollesch
Bühne: Barbara Steiner
Kostüme: Tabea Braun
Licht: Cornelia Gloth
Dramaturgie: Bernd Isele
Mit: Christine Groß, Astrid Meyerfeldt, Jeremy Mockridge, Sophie Rois und Katrin Wichmann.
Uraufführung war am 26. Mai 2021.
Weiterer Termin: 30.05.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/
Post an Stefan Bock
Freie Szene
Live-Streams
Neue Stücke
Premieren
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
RUHRTRIENNALE
TANZ IM AUGUST
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|