Ein Flagellant
mit Flatulenz
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Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs von Rosa von Praunheim (am DT Berlin) | Foto (C) Arno Declair
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Bewertung:
Die Farce Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs, geschrieben und inszeniert von Filmemacher und neuerdings auch Theater-Autor und -regisseur Rosa von Praunheim ist eins der drei Gewinnerstücke der diesjährigen AUTORENTHEATERTAGE am Deutschen Theater und wurde Anfang Oktober in den Kammerspielen uraufgeführt. Nun lief es am 1. November - einen Tag vor dem neuerlichen Kultur-Lockdown - zum vorläufig letzten Mal. „Scharfzüngig und böse, grell und komisch“ soll es werden, verspricht der Text auf der Website des DT. „Treffen sich zwei Schauspieler - und nehmen die aktuelle politische Großwetterlage zum Anlass für einen wilden und sehr musikalischen Ritt durch die deutsche Geschichte. Wo sich Hitler und Friedrich der Große begegnen kommen die allerintimsten Fragen auf den Tisch: Fragen nach der Verdauung genauso wie Fragen nach Deutschlands Zukunft.“
Das mit der politischen Großwetterlage ist so ein Ding. Im Moment wird die eher von einem hartnäckigen Virus und einem noch hartnäckigeren US-Präsidenten bestimmt. Ein Stück über Hitlers Flatulenzen und Ziegenanekdoten sowie die angebliche Analfixierung des großen Preußenkönigs wirkt da schon etwas anachronistisch. Aber Rosa von Praunheim geht es schon um Deutschlands Zukunft, wenn er seine beiden Darsteller Heiner Bomhard und Božidar Kocevski, die bereits in von Praunheims erstem Theaterstück Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht mitwirkten, „AfD - Arschlöcher für Deutschland“ singen lässt. Die Wiederauferstehung preußischer Herrlichkeit und deutschnationalem Größenwahn in Gestalt von Božidar Kocevski als von unkontrollierter Darmtätigkeit geplagtem Hitlerwiedergänger, der vom Musiker Heiner Bomhard als eilfertigem Adepten im Leichensack auf die Bühne gezerrt und in einer Art braunen Messe wiederbelebt wird.
Das hätte durchaus Humor-Potential, wird aber im Folgenden doch gnadenlos an schnelle, etwas vorhersehbar platte Gags à la Pupskissen verkauft. Zudem handelt es sich eigentlich nicht um ein wirkliches Theaterstück, sondern eher um eine kabarettistische Bühnenshow mit Gesangseinlagen entlang der immer wieder kolportierten Story über Hitlers von einer Ziege abgebissenem Pimmel und seinem fragwürdigen Sexualleben u.a. mit seiner Nichte Geli, von der er sich „bepinkeln und bescheißen“ ließ. All das wird in die Form einer peinlichen Befragung eines Interviewers gesteckt.
Musikalisch bewegt sich der Abend zwischen Marschmusik, Cha Cha Cha und Schlager im Stile der Comedian Harmonists (Eine kleine Vorhaut), was auch einigen Unterhaltungswert besitzt. Als Adi und Jugendfreund Gustl witzeln sich die beiden grandiosen Schauspieler durch Hitlers Jugend, seine verdrängte Homosexualität und andere Eigenarten des verhinderten Künstlers, der aber später trotzdem zum größten Massenmörder avancierte (Lied für „Mamilein“). Ein Lied über „Kinder für den Krieg“ ragt da politisch schon etwas über die sonstigen Albernheiten hinaus. Passend dazu wird hier auch AfD-Gaulands „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte entsprechend gewürdigt.
Später gibt Bomhard eine tuntige Karikatur von Friedrich dem Großen, der ja bekanntlich eine ähnlich tragische Jugendliebe zu seinem Freund Katte pflegte, und Kocevski himmelt nun als verkannter Hitler sein großes historisches Vorbild an. Zwei Hundeliebhaber kämpfen in einer „Nacht voll Zärtlichkeit“ mit Flöte und Riesenpenis. Rosa von Praunheim lässt in seinem „großen Theater der Weltgeschichte“ nichts unversucht die beiden großen Männer ziemlich lächerlich aussehen zu lassen. In dieser Hinsicht ist die Farce schon ein zwar sehr schräges aber auch bitterböses Abbild deutscher Geschichte, die dem Publikum damit tragischer Weise auch nicht allzu viel Neues zu erzählen hat.
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Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs von Rosa von Praunheim (am DT Berlin) | Foto (C) Arno Declair
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Stefan Bock - 4. November 2020 ID 12581
HITLERS ZIEGE UND DIE HÄMORRHOIDEN DES KÖNIGS (Kammerspiele, 01.11.2020)
Regie unter Mitarbeit des Ensembles: Rosa von Praunheim
Bühne und Kostüme: Johanna Pfau
Musik: Heiner Bomhard
Licht: Kristina Jedelsky
Dramaturgie: Bernd Isele
Mit: Heiner Bomhard und Božidar Kocevski
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 2. Oktober 2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/
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