Zweisame Einsamkeiten
Fitim Qenaj und Ludwig Uebe sind Mrożeks EMIGRANTEN im Theater im Palais
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Bewertung:
Völlig zu unrecht wird das schnucklige THEATER IM PALAIS, das im Palais am Festungsgraben (daher auch "Palais" in seinem Namen) und paar Meter rechts vom Maxim Gorki Theater liegt, durch das an sich sehr arrogante also überhebliche Berliner Feuilleton zumeist gemieden als beachtet oder gar besprochen. Nicht mal in die nennenswerten Schlagzeilen, wenn es z.B. über die Berliner Off-Theaterszene irgend etwas Neues zu berichten gäbe, findet es tatsächlich statt; und auch wir selbst - was schnöder noch als schnöder ist - waren zuletzt vor drei oder vier Jahren hier zum letzten Mal, um über eine Vorstellung, in der's um Martin Luther ging, zu schreiben; Mein Herr Käthe hieß das Stück von Uwe Poppe, und der Anlass seiner damaligen Uraufführung waren allem Anschein nach 500 Jahre Reformation, ja und so lange ist das nun schon wieder her.
"Das THEATER IM PALAIS steht für eine außergewöhnliche Mischung aus klassischem Schauspiel und musikalisch-literarischen Programmen.
[...]
Mit einem klaren Konzept und bester Theaterarbeit ist die kleine Bühne zu einer unverwechselbaren Adresse geworden.
Dass hier mit vorausdenkendem Verstand, ungewöhnlichem Engagement und originellen Ideen agiert wird, überträgt sich auf die Zuschauer.
Der Spielplan ist von Stoffen der Weltliteratur, der klassischen Moderne und Werken zeitgenössischer Autoren geprägt, die im Kontext aktueller Themen interpretiert werden.
Das Repertoire des Theaters ist damit ausgesprochen vielfältig. Das Haus fühlt sich Berlin – als einer Stadt in stetem Wandel – besonders verpflichtet und das spiegelt sich in der einzigartigen Reihe der Berliner Geschichten, die besonders hervorgehoben werden muss, wider.
Ganz unkonventionell werden Erzählung, szenisches Spiel und musikalische Begleitung, selbst Film, gemischt und nicht selten selbstironisch interpretiert.
Mit dem für Berlin besonderen intimen Charme des Salontheaters mit seinen 99 Plätzen wird jeder Besuch im historischen Palais am Festungsgraben ein einzigartiges Theatererlebnis."
(Quelle: theater-im-palais.de)
Es gibt sogar ein Junges Ensemble, das sich hin und wieder im THEATER IM PALAIS bemerkbar macht - und ausgerechnet seinetwegen wollten wir dann gestern Abend neugierig vor Ort gewesen sein:
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Fitim Qenaj (li.) und Ludwig Uebe in Emigranten von Sławomir Mrożek am Berliner Theater im Palais | Foto (C) Anja Zander
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Fitim Qenaj und Ludwig Uebe waren als die beiden Außenseiter in Sławomir Mrożeks 1974 in Paris uraufgeführtem Stück unter dem Titel Emigranten zu erleben (Spielleitung: Kay Ramczyk).
Der eine stellt den Gastarbeiter- und der andere den Dissidenten-Typus dar.
D.h. der eine wartet ab, bis er mal irgendwann genug Gastarbeitslohn verdient hat, um das Land, in dem er gastweise so sehr malochte, endlich wieder zu verlassen und in seiner angestammten Heimat endlich wieder als Familienmensch zu sein. Ja und der andere, ein dissidenter Intelektueller, der wahrscheinlich obendrein auch steckbrieflich gesucht sein könnte, faselt über Sklavenhalter und die Sklaven und dass sich die Sklaven von den Sklavenhaltern endgültig befreien müssten usw.
Und wir Zuschauer und Zuhörer sind nun gefragt, für welchen der zwei Typen wir uns - rein von unsern Sympathien her - "entscheiden"; denkbar war und ist natürlich auch, dass wir sie beide sozusagen für uns annehmen und ein Gefühl dafür entwickelten, dass beide Kurzviten, die sie uns nach und nach per Dialog und Monolog ausbreiten, ganz konkret etwas mit uns und unsern eigenen Biografien zu tun haben könnten; schlussendlich begreifen wir das ohne Weiteres, weil wir, sicher auch aus diversen eigenen Erfahrungen heraus, wissend erfuhren und erfahren, dass es halt "auch" Gastarbeiter oder Dissidenten unter (oder neben) uns in nicht ganz unerheblich großer Anzahl gibt.
"Während die gehobene Gesellschaft im Stockwerk über ihnen die Sektgläser klirren lässt, fechten die zwei Geflüchteten derselben Heimat einen Überlebenskampf aus: Wenn zwei nichts zu verlieren haben, riskieren sie alles und laufen dabei Gefahr, das einzige zu verlieren, was sie haben: Einander.
[...]
Sie besaufen sich, sie machen sich lächerlich, sie kämpfen um ihre Anerkennung, sie wollen sich das nicht anmerken lassen, sie erinnern sich an gute alte Zeiten, die nur im Nachhinein gut sind oder es nie waren, das Jahr neigt sich dem Ende……………………………… 5,4,3,2…einer legt den Kopf in eine Schlinge."
(Quelle: dto.)
Aber gottlob erhängten sie sich beide nicht (noch nicht).
Sehr glaubhaft und sehr schön gespielt.
Hat uns gefallen.
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Andre Sokolowski - 6. Oktober 2021 ID 13189
EMIGRANTEN (Theater im Palais, 05.10.2021)
von Sławomir Mrożek
Spielleitung: Kay Ramczyk
Dramaturgie: Franziska vom Heede
Mit: Ludwig Uebe und Fitim Qenaj
Premiere war am 28. September 2021.
Weiterer Termin: 16.11.2021
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-im-palais.de/
http://www.andre-sokolowski.de
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