Einmal aus
der Reihe
tanzen
|
Solo Echo mit dem Ballett BC | Foto © Sharen Bradford
|
Bewertung:
Ein reiner Frauenabend mit Stücken dreier Choreographinnen ist eher selten. Jüngst wurden in der Kölner Oper im Staatenhaus drei Stücke zeitgenössischen Tanzes von Künstlerinnen der Generation um die vierzig gezeigt. Emily Molnar führt seit 2009 als künstlerische Leiterin das Ballet British Columbia (Ballet BC). Die 46jährige kanadische Tänzerin Molnar wurde 2016 mit dem „Order of Canada“ für ihre künstlerische Leitung und ihren Beitrag zum Fortschritt des Tanzes geehrt. Molnar wird ab der Spielzeit 2020/21 die künstlerische Leitung des renommierten Nederlands Dans Theater in Den Haag übernehmen, als bis dato erste Frau. Ihre international anerkannte kanadische Kompanie Ballet BC gastierte derweil zum ersten Mal in Köln.
Auch die insgesamt 15 Tänzer – alle Anfang zwanzig und aus Kanada oder den USA (Namen s.u.) – zeigen in zahlreichen Soli starke Persönlichkeiten während der drei Performances.
Die erste Vorführung des Abends, Bedroom Folk, schuf die 49jährige, israelische Tänzerin und Choreographin Sharon Eyal zusammen mit ihrem künstlerischen Partner Gai Behar. Zu tranceartigen House-Beats vom Soundkünstler Ori Lichtik bewegen sich etwa ein Dutzend Tänzer synchron in einer einzigen Schar. Mit verlangsamten, kleinen Gesten schaffen sie eine eindrückliche Bewegungseinheit. Doch alsbald tanzt zu den hypnotischen Rhythmen in der engen Formation ein Tänzer aus der Reihe. Er bewegt sich kurz gegenläufig zur Gruppe, ordnet sich alsbald wieder ein, nur damit der oder die Nächste dann markant aus der Reihe tanzen kann. Gepflegtes Trippeln wechselt mit Marschschritten, das Tempo zieht an, Solisten wie Justin Rapaport oder Scott Fowler stechen präzise und charismatisch mit unterschiedlichen Positionen, Sprüngen oder konzentrierten Drehbewegungen während des 26minütigen Stückes hervor.
Eine ausdrucksstarke Sogwirkung löst auch das zweite Stück, Busk, der kanadischen Choreographin Aszure Barton aus. Busk bezieht sich auf das spanische Wort „buscar“, Deutsch für "suchen". Zigeunermusik von Ljova und der Kontraband wird von dramatischen Chorgesängen unterbrochen. Eingeleitet wird die 25minütige Performance durch ein langes, akrobatisches und fein ausbalanciertes Solo von Justin Rapaport – sehr ausdrucksstark. Abgelöst wird die vielversprechende Einlage durch episodisch sich mal steigernden und mal verlangsamenden Gruppentanz. Die schwarz gekleideten Tänzer bewegen sich in komplexen Strukturen und Einheiten im Kollektiv. Wenn die Tänzer gemeinsam ihre Zähne blecken, wirkt das mitunter recht schwarzhumorig. Dann erscheint die Performance auch düster, so wird lebhaft eine Fragilität des Menschseins ausgedrückt.
Die letzte Choreographie des Abends, Solo Echo, ist von der kanadischen Balletttänzerin und Choreographin Crystal Pite. Die Künstlerin wurde zu ihrer Arbeit von zwei Brahms-Sonaten für das Cello und dem Gedicht Lines for Winter von Mark Strand inspiriert, die von Band wiedergegeben werden. Vor dunkel ausgeleuchtetem Bühnenhintergrund fällt durchgehend leuchtender Bühnenschnee. Das Stück beginnt mit Paartanz und schnellen Richtungswechseln. Neben der Zugehörigkeit wird im steten Bewegungsfluss bald jedoch auch mögliche Einsamkeit ausgelotet. Melancholisch handeln die Tanzszenen von dem Einzelnen und der Gruppe, von Verlust und Vertrautheit, Abgrenzung und Sehnsucht. Wenn Männer eng mit Männern tanzen, drücken ihre Bewegungen bald auch Aggression und Dominanzwillen aus. Bewegungsmuster erinnern hier an asiatische Kampfkunst.
Solo Echo ist die vielleicht ästhetisch-eleganteste und poetisch-vieldeutigste Darbietung des Abends. Das 21minütige Stück zerfasert jedoch alsbald etwas und entwickelt weniger Dynamik als die vorangegangenen Aufführungen.
Ein nichtsdestotrotz dramatisch dichter, spannungsreicher Abend, der insgesamt starke Bilder vom berauschenden Pulsieren zwischen Kollektiv und Fragilität bietet. In recht vielfältigen choreographischen Schwerpunkten zeitgenössischen Tanzes wissen Tänzer mit kraftvollen Solos mehrfach effektvoll hervorzustechen.
|
Ballett BC mit Solo Echo | Foto © Sharen Bradford
|
Ansgar Skoda - 14. Januar 2020 ID 11930
BALLETT BC (Staatenhaus Saal 1, 10.01.2020)
Künstlerische Leitung: Emily Molnar
TänzerInnen: Chase Buntrock, Emily Chessa, Quaba Venza Ernest, Parker Finley, Scott Fowler, Miriam Gittens, Kiera Hill, Kiana Jung, Jordan Lang, Justin Rapaport, Dex van ter Meij, Nicole Ward, Kirsten Wicklund, Sophie Whittome und Zenon Zubyk
Bedroom Folk (UA 2015)
Choreographie : Sharon Eyal
Soundkünstler & Musik: Ori Lichtik
Lichtdesign: Thierry Dreyfus
Kostümdesign: Rebecca Hytting
Busk (UA 2009)
Choreografie und Regie: Aszure Barton
Musik: August Soderman, Camille Saint-Saëns, Daniel Belanger, Lev “Ljova” Zhurbin und Moondog & Slava Grigoryan
Sound Design: Aszure Barton
Licht: Nicole Pearce
Kostüme: Michelle Jank
Solo Echo (UA 2012)
Choreographie: Crystal Pite
Musik: Johannes Brahms
Lichtdesign: Tom Visser
Bühnendesign: Jay Gower Taylor
Kostümdesign: Crystal Pite und Joke Visser
Inszenierung: Eric Beauchesne
Weitere Infos siehe auch: https://balletbc.com/
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
Ballett | Performance | Tanztheater
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|