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Performance

Affenartige

Perspektivenwechsel



Die Kränkungen der Menschheit in den Münchner Kammerspielen | Foto (C) Gabriela Neeb

Bewertung:    



Drei Mal ist die Menschheit bisher narzistisch „gekränkt“ worden, meinte Freud zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts. Das erste Mal durch Kopernikus, der feststellte, dass die Erde um die Erde kreist und nicht umgekehrt. Das zweite Mal durch Darwins Erkenntnis, dass der Mensch vom Affen abstammt. Und das dritte Mal gab Freud sich selbst die Schuld - indem er dem Menschen ein Unterbewusstsein zuschrieb, das sich seiner Kontrolle entzieht.

Anta Helena Recke fügt in ihrer Performance [Die Kränkungen der Menschheit] diesen berühmten Kränkungen, diesen "Desillusionierungen", wie sie sie nennt, eine vierte hinzu. Die Menschheit ist nicht mehr „weiß“, „männlich“ und „europäisch“. Sie hat viele Farben angenommen, viele Lebensstile, und sie ist vor allem nun auch weiblich. Die historisch so dominante „Zentralperspektive“ aus Europa, die immer vom Standpunkt eines privilegierten Betrachters ausgeht, muss relativiert werden! Es gibt auch anderes, zum Beispiel die islamische Bildauffassung mit ihrer Bedeutungsperspektive. Toleranz ist gefordert. Miteinander. Völkerverständigung. Bloß keine postkoloniale Herrenmenschenideologie. Soweit die gute Absicht, das explizit „konzeptuelle“ Theater.

Wie setzt sie das um? Auf der Bühne ein beleuchteter Glaskubus, außen gefliest, innen mit Holzpodesten versehen. Von draußen Urlaute. Die Türen zur Bühne öffnen sich. Meschenaffen! Auf allen Vieren hopsen Männer, Frauen und ein Kind in fleischfarbener Wäsche herein in dieses Zoogehege, raumgreifend, hüpfend, sich lausend. Man könnte ihnen noch lange zuschauen, so wunderbar ahmen sie die Bewegungsabläufe unserer Vorfahren nach. Ein Typ im Medizinerkittel tritt auf, ein Wissenschaftler, ein Wärter? Sind wir in einem Labor? Dann kommen Menschen dazu, die sich offensichtlich in einem Museum befinden. Sie konzentrieren sich auf die Führung, die Affen scheinen sie nicht wahrzunehmen. Statt dessen widmen sie sich einem unsichtbaren Kunstwerk und reden gescheit daher: „Die Prämisse ist dünn“, meint einer. Ein Satz, der besonders wenig passt zu der bäuerlichen Szene, die angeblich Dorfbewohnern in Afrika gezeigt wird. Was nehmen sie wahr? Was wir? Wer schaut eigentlich was an und wem zu? Plötzlich kippt die Szene. Die Musuemsbesucher erklettern das Zoogehege – sie scheinen sich bedroht zu fühlen. Aber dann kommen auf einmal ganze Scharen bunt gekleideter, fröhlich schwatzender Coloured people aus dem Off, die Stimmung löst sich. Kurz tragen sie ein goldgerahmtes Bild vorbei, das Gemälde Die Affen als Kunstrichter von Gabriel Cornelius von Max. Zuletzt tauchen die Affen im Zuschauerraum auf und erobern die offene Bühne zurück.

Recke – Theater heute kürte sie zur Nachwuchskünstlerin 2018 - legt im Verlauf des Bühnengeschehens ein Bild übers andere, alles mischt sich. Doch die Gruppen bleiben unter sich. Kein Kontakt. Sie wissen nichts voneinander. Die vielen buntgekleideten Coloured girls aus aller Herren und Frauen Länder aber spazieren durch die Affen und die Museumsbesucher hindurch, als wären sie gar nicht da. Die Mädels sind ja auch „die Mehreren“.

Eine schöne, zum Nachdenken anregende Performance.




Die Kränkungen der Menschheit in den Münchner Kammerspielen | Foto (C) Gabriela Neeb

Petra Herrmann - 1. Oktober 2019
ID 11713
DIE KRÄNKUNGEN DER MENSCHHEIT (Kammer 2, 30.09.2019)
Inszenierung: Anta Helena Recke
Bühne: Carlo Siegfried
Licht: Joscha Eckert
Musik: Luca Mortellaro
Kostüme: Pola Kardum
Dramaturgie: Valerie Göhring
Künstlerische Mitarbeit: Anna Froelicher und Maxi Menja Lehmann
Gong: Leon Frei
Kinder: Lendita Daffeh und Siri Fatou Seidl
Produktion: Olaf Nachtwey und Johanna Thomas
Choreografie, Text und Performance: Ariane Andereggen, Jean Chaize, Noah Donker, Sir Henry, Kinan Hmeidan, Mario Lopes, Samuel Lopes, Lara-Sophie Milagro, Benjamin Radjaipour, Vincent Redetzki, Joana Tischkau, Else Tunemyr, Hayato Yamaguchi und weitere Mitwirkende aus München
Recherche: Marja Christians und Chiara Galesi
Uraufführung an den Münchner Kammerspielen: 26. September 2019
Weitere Termine: 15., 16.10.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.muenchner-kammerspiele.de


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petra-herrmann-kunst.de

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