Gut gemeint
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Last Park Standing am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein
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Bewertung:
Am Schluss verkriechen sich die zwei Frauen Umut (Josephine Köhler) und Janina (Anne-Marie Lux) in einem kleinen Zelt. Wir sehen: nichts. Schon im Vorspann hatte uns die Autorin Ebru Nihan Celkan gewarnt: „Heute bitte ich Sie, nicht nur über das nachzudenken, was Sie auf dieser Bühne sehen und hören, sondern auch über das, was Sie weder sehen noch hören.“
Da ist es nun, das Stück, das ständig gefordert wird: das sich mit unserer Gegenwart beschäftigt, sich einmischt in die politische Realität. Aber es ist kein Theaterstück geworden. Es bleibt zurück hinter allem, was der halbwegs aufmerksame Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer wissen kann.
Last Park Standing handelt, chronologisch durcheinandergewirbelt, von den Ereignissen der vergangenen sechs Jahre in Istanbul und ihrem Reflex im Privatleben zweier Frauen, am Rande auch zweier Männer (beide von Valentin Richter verkörpert). Umut lebt in Istanbul, Janina in Berlin, aber sie können zusammen nicht kommen. Weibliche und männliche Homosexualität spielen dabei nur insofern eine Rolle, als uns die Autorin offenbar sagen will: was wiegen diese privaten Probleme schon gegenüber den wirklichen Gefährdungen durch ein autoritäres Regime?
Dass es auch über das geht, was man weder sehen noch hören kann (nach dem Willen des Vorspanns sogar um den Rosensteinpark und den Schwarzen Donnerstag – also Stuttgart 21 – und um Willy Brandt – also den positiven Helden), setzt der Regisseur Nuran David Calis fort, indem er größtenteils hinter einer Glaswand, in einer Art abgedunkeltem möbliertem Wintergarten, links Instanbul, rechts Berlin, dazwischen viele Zimmerpflanzen (aha, Park!) (Bühne: Irina Schicketanz), spielen lässt. Was da fast unsichtbar bleibt, wird – Surprise! Surprise! – per Video, teils simultan, teils aufgezeichnet auf eine Fläche am oberen Rand der Bühne projiziert. Obwohl in den Text ein paar lyrische Stellen eingestreut sind, pflegt er, wie die Inszenierung, einen radikalen Realismus. Dazu passt die hypernaturalistische, sich manchmal dem Flüstern bis zur Unverständlichkeit nähernde Sprechweise, die ohne auf der Stirn mit Heftpflastern festgeklebte, in den Videos deutlich erkennbare Mikroports nicht möglich wäre. Das machen die beiden Frauen, zugegeben, virtuos. Für die Nachfolge der Lindenstraße haben sie sich vorzüglich qualifiziert.
Wir sind Zeugen dafür, wie hilflos die Proteste von Politikern und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt gegen das Unrechtsregime von Recep Tayyip Erdoğan sind. Vor drei Jahren entsandte der Internationale PEN eine Delegation nach Istanbul. Weil man den Aufwand mit Erfolgsmeldungen rechtfertigen muss, verstrahlte er den üblichen Zweckoptimismus. Die Wahrheit ist: von den 151 inhaftierten Journalisten wurde kein einziger freigelassen. Dieser Tage erreicht uns die Nachricht, dass Aslı Erdoğan, die damals zu den Gesprächspartnern der PEN-Abordnung gehörte und zurzeit im deutschen Exil lebt, in türkischen Medien von Morddrohungen verfolgt wird. Die Empörung bleibt halbherzig. Letzten Endes überwiegen für die Politiker Erwägungen der wirtschaftlichen Opportunität. Dass das Theater daran etwas ändern wird, bleibt zu bezweifeln. Last Park Standing jedenfalls dürfte bei aller guten Absicht dafür nicht geeignet sein.
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Last Park Standing am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) Björn Klein
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Thomas Rothschild – 1. November 2019 ID 11775
LAST PARK STANDING (Kammertheater, 31.10.2019)
von Ebru Nihan Celkan - aus dem Türkischen von Oliver Kontny
Inszenierung und Video: Nuran David Calis
Bühne: Irina Schicketanz
Kostüme: Geraldine Arnold
Musik: Meredi
Licht: Stefan Schmidt
Dramaturgie: Bastian Boß und Sina Katharina Flubacher
Mit: Josephine Köhler, Anne-Marie Lux und Valentin Richter
DSE am Schauspiel Stuttgart: 31. Oktober 2019
Weitere Termine: 01. 03.11.2019 // 11.-13.01.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de
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