Kommt ein Mann nicht nachhause
ODYSSEE von Roland Schimmelpfennig am Staatsschauspiel Dresden
Bewertung:
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Ein Mann kommt nicht nachhause, obwohl der Krieg vorbei ist. Da darf man sich schon mal Gedanken machen, nicht nur, wenn man Penelope heißt und auf den Helden Odysseus wartet. Und man darf unbedingt eigene Schlussfolgerungen ziehen, selbst wenn man Penelope heißt und Königin von Ithaka ist. Das Leben ist im Allgemeinen heute.
Zumal die Geschichte ihr recht gibt: "Es gibt nichts zu erzählen." An die 10 Jahre fehlen im Lebenslauf von Odysseus, als er sich zuhause neu bewerben muss. Es war "ganz schön, nichts geschehn", Penelo-Schatz, und wenn doch, dann kann das nicht im Ansatz mithalten mit der Odyssee, die sich irgendein kriegsdienstverweigernder Lehrer ausgedacht hat. But don't look back in anger; ich hab' doch immer nur an dich gedacht die ganze Zeit.
Und Penelope hat ihre eigene Geschichte, regrette rien, aber nun kehrt wieder Ordnung ein im Hause Ithaka.
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Roland Schimmelpfennig gelingt in seinem Auftragswerk für das hiesige Staatsschauspiel ein ganz eigener Zugriff auf den erschöpften Stoff, weg vom Heldenmythos, hin zu den Grundlagen. Hannelore Koch und Albrecht Goette räumen gleich anfangs gründlich mit der Kriegsromantik auf, hier riecht es nach verbranntem Fleisch, nicht nach Weihe-Rauch. Und die heimkehrenden Helden sind in Wirklichkeit eine Bande marodierender Söldner, die inzwischen keiner mehr braucht.
Das scheinen die auch zu wissen, denn die Rückverlegung zieht sich, aus objektiven wie auch sehr subjektiven Gründen. Mehrmals ist der Totalverlust der Armee zu beklagen, Kirke, der Zyklop und die Sirenen seien hier nur stellvertretend als Ursache genannt, doch dank einer Wunderfrucht wächst das alles wieder nach, bis auch diese dann mal alle ist. Odysseus reicht auf den letzten Etappen somit ein Einzelzimmer auf dem Weg nachhause.
Das Epos bleibt immer erkennbar an diesem Abend, aber es werden ganz andere Fragen gestellt, der Text ist unzweifelhaft im Heute gelandet. Das liegt nicht nur an des Autors glücklicher Hand, sondern auch an der kongenialen Umsetzung durch den Regisseur Tilman Köhler mit dem Bühnenbildner Karoly Risz im Bunde.
Und es sind die SchauspielerInnen, die dem Ganzen Leben einhauchen, neben den oben schon Genannten aus des Hauses Straße der Besten sind dies in willkürlicher Reihenfolge: Philipp Lux, Eva Hüster, Karina Plachetka, Moritz Kienemann, Luise Aschenbrenner und Matthias Reichwald, die im dreifachen Doppel nicht nur äußerst präzise spielen und chorisch sprechen, sondern auch ganz fantastisch singen. Das würde auch als Hörspiel reüssieren, so perfekt ist das umgesetzt, und vielleicht tut es das ja auch bald.
Man (also ich) kann diesen mit 1.45 h recht kurzen Abend in all seinen Facetten nur schwer adäquat beschreiben. Man (also wir) sollte(n) ihn dafür ein zweites Mal sehen. Aber es ist ein großer Wurf, der den Beteiligten hier gelungen ist, soviel lässt sich zweifellos sagen.
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Sandro Zimmermann - 16. September 2018 ID 10919
ODYSSEE (Schauspielhaus, 15.09.2018)
Regie: Tilmann Köhler
Bühne: Karoly Risz
Kostüme: Susanne Uhl
Musik: Jörg-Martin Wagner
Licht: Michael Gööck
Dramaturgie: Jörg Bochow
Mit: Luise Aschenbrenner, Albrecht Goette, Eva Hüster, Moritz Kienemann, Hannelore Koch, Philipp Lux, Karina Plachetka und Matthias Reichwald
Uraufführung am Staatsschauspiel Dresden: 15. September 2018
Weitere Termine: 18., 24.09. / 07., 18., 30.10.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.staatsschauspiel-dresden.de
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