LEGENDE.
Das Stück
Kleinteilige Promotion für ein großartiges Buch
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Cover der Erstausgabe von Ronald M. Schernikaus legende | (C) ddp goldenbogen
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Bewertung:
Es existiert seit Jahren und (inzwischen schon) Jahrzehnten ein besonders von den linken Schwulen - insbesondere den jugendlichen linken Schwulen - eingehegter Kult um Ronald M. Schernikau (1960-1991). Und weil der Schrifftsteller bekennend links und schwul zugleich war, wuchsen ihm, dem viel zu früh von uns Gegangenen, zig "gleichgesinnte" Jünger nach und staunten nachgerade, was ihr angehimmeltes Idol in seinem kurzen linken Schwulenleben - außer (gottlob!) ausgiebigst zu dichten!! - noch so alles auf die Reihe kriegte. Kann schon sein, dass ihm ein solches Jüngertum, würde er jetzt urplötzlich aufersteh'n, geschmeichelt haben würde; sicher bin ich mir da nicht, ich hatte ihn zu unsrer Zeit in L. vereinzelter und unvereinnahmbarer wahrgenommen.
"Als 1999 sein Buch legende erstmals erschien, war der Autor selbst nicht mehr auf dieser Welt. Er starb mit 31 Jahren an AIDS, acht Jahre, bevor sein fast 1000 Seiten umfassendes Hauptwerk, auf das er sein ganzes Leben lang hingedacht hatte, endlich ausgeliefert wurde. Wenig später war es bereits nicht mehr verfügbar. Die Folge: legende wurde zur Legende. Und wer nicht rechtzeitig zugegriffen hatte, musste diesen grandiosen Solitär der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur verpassen und sich mit Gerüchten zufriedengeben. Dies alles ändert sich nun innerhalb weniger Monate. Denn zeitgleich betreiben die Volksbühne und der Berliner Verbrecher Verlag das längst überfällige Comeback der legende. Zweimal große Bühne für einen Text, der sich aufgrund einer überbordenden Vielheit an Erzählformen jeder Gattungszuschreibung entzieht und dessen erster Schauplatz ein Götterhimmel aus den 1980er-Jahren ist. Sehr allein sitzen dort fifi, kafau, stino und tete und verneigen sich voreinander. Sie alle haben eine mehr als irdische Vergangenheit, nun aber sind sie obenauf und blicken hinunter auf eine geteilte Insel namens Berlin. Und da Götter, die sich voreinander verneigen, dies auch mit den Menschen tun müssen, machen sie sich auf den Weg. Ihr Ziel: den Menschen (hüben wie drüben) möglichst viel Gutes bringen, viel Kraft, viel Optimismus, viel Handlungsfähigkeit."
(Quelle: volksbuehne.berlin)
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Die Vertheaterung von Poesie & Prosa - ein auf deutschsprachigen Bühnen in Mode gekommenes Attackieren originärer Bellestristik - führt nicht etwa dazu, dass die zuschauenden Zuhörer das (theatralisch i.d.R. vollkommen verhunzte) Original, zum besseren Vergleich, selbst lesen; nein, vermutlich werden die Probanten vom gesehenen Gehörten derart abgesättigt oder über- also unterfordert sein, dass sich ihr potenzieller Griff zum "guten Buch" von vornherein erledigt haben wird und sie ihrer fortschreitenden Analphabetisierung aufs Gemütlichste entgegenidiotieren.
Schernikaus legende - ein in seiner strukturellen, sprachlichen Großartigkeit nur noch mit Bibelmaßstäben begreif- und lesbares Werk - taugt nicht zum musikalisch angereicherten Herunterquatschen ihrer selbst; ja und auch wenn sich die Beteiligten der ehrgeizigen Multimedia-Show von gestern Abend redlich Mühe gaben, schienen mir doch ihre ambitionierten Anstrengungen letzten Endes völlig für die Katz'!!
Verdammt noch mal - lernt erst mal wieder richtig lesen und vor allem das zu Lesende als eigenständig daseiende Kunst zu akzeptieren, ehe ihr hieraus sinnlos Theater machtet, Punkt.
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legende nach Ronald M. Schernikau an der Volksbühne Berlin | Foto (C) Thomas Aurin
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Andre Sokolowski - 12. Dezember 2019 ID 11880
LEGENDE (Volksbühne Berlin, 11.12.2019)
Regie: Stefan Pucher
Bühne: Barbara Ehnes
Kostüme: Annabelle Witt
Licht: Kevin Sock
Musik: Christopher Uhe
Video: Rebecca Riedel
Dramaturgie: Malte Ubenauf
Mit: Sólveig Arnarsdóttir, Rosalie Bergel / Leander Kissiov, Leander Dörr, Sarah Franke, Sebastian Grünewald, Ueli Jäggi, Robert Kuchenbuch, Elisa Plüss, Emma Rönnebeck, Milena Arne Schedle, Dieter Rita Scholl, Katharina Marie Schubert, Sylvana Seddig und Nicolaas van Diepen sowie den MusikerInnen Chikara Aoshima, Réka Csiszér und Michael Mühlhaus
Premiere war am 11. Dezember 2019.
Weitere Termine: 13., 20.12.2019 // 12., 25.02.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.volksbuehne.berlin/
http://www.andre-sokolowski.de
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Ronald M. Schernikau | Irene Binz. Befragung
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