Köder
voller
Ironie
|
© Contra-Kreis-Theater
|
Bewertung:
Wahrscheinlich hat keine Frau größeren Gewinn aus Morden gezogen als Agatha Christie (1890-1976). Die britische Klassikerin des Kriminalromans gilt als Meisterin des Mitrate-Genres. Als „Queen of Crime“ stärkte sie Englands Ruf, das klassische Land des Kriminalromans zu sein.
Das ursprünglich als Hörspiel konzipierte Stück Die Mausefalle (The Mousetrap) von 1952 versammelt eine Gruppe von acht Menschen an einem Ort, an dem es kein Entkommen gibt. In näherer Umgebung wurde eine Frau auf offener Straße erwürgt. Die Täterbeschreibung passt auf fast alle Gäste, die sich in der nahegelegenen Pension einquartiert haben. Im gefundenen Notizbuch des Mörders stehen neben dem grausam-naiven Kinderlied „Drei kleine Mäuse“ auch weitere Tötungspläne und die Adresse des Hotels. Als letzter betritt ein Polizist auf Skiern die Hotelräumlichkeiten. Er möchte vor Ort ermitteln. Denn eine der Personen in dem alten, eingeschneiten und abgelegenen Gasthaus muss der Mörder sein. Das Telefon funktioniert nicht mehr, draußen fällt massenweise Schnee. Das nächste Opfer könnte jeder oder jede sein.
*
Regisseur Lajos Wenzel, neuer Intendant an der Landesbühne Rheinland-Pfalz, inszeniert das Stück am Bonner Contra-Kreis-Theater recht klassisch, stilsicher und nostalgisch-konventionell. Holzvertäfelung und ein Ledersofa schmücken auf der Bühne einen Empfangssalon auf geschmackvoll-englische Art. Der britische Monarch Heinrich VIII. blickt in einem großformatigen Porträt auf das Geschehen. Unter der Kopie des Bildes von Hans Holbein den Jüngeren ist ein Kamin platziert, an dem sich die Figuren geflissentlich aufwärmen. Ein antik wirkendes Telefon auf einem Schreibtisch deutet darauf hin, dass wir uns in einer Zeit vor Mobiltelefonen und Internet befinden. Alle Gäste tragen altmodische und feine Outfits und haben Einzelzimmer gemietet.
Lili Koehler spielt die schwangere Chefin der Pension Mollie Ralston, die das Anwesen in der Nähe Londons geerbt hat, zunächst noch mit Umsicht und einer gewissen Gefasstheit, bis es in ihrem eigenen Haus einen Mord gibt. Dominik Penschek ist als ihr Mann Giles ein schneidiger Hingucker, der aber auch als eifersüchtiger Gatte recht unangenehm werden kann. Birger Frehse mimt auf köstliche Weise den umtriebigen Architekturstudenten Christopher Wren, der im Hotel seine Kochkünste entdeckt und das ganze Kriminalgeschehen auf einigermaßen absurde Art zu genießen weiß. Auch Gabriele Schulze glänzt in der Rolle der eisern-strengen und höchst erwartungsvollen pensionierten Richterin Mrs. Boyle. Recht affektiert tritt Heiko Hayert als Signore Paravicini auf, der das Hotel zufällig nach einem Autounfall im Schnee heimsucht. Katharina Felschen gefällt mit einer kleinen Tanznummer und einem undurchsichtig-androgynen und eher distanzierten Auftreten als Miss Cosewell. René Toussaint gibt den pensionierten Major Metcalf als versöhnlichen und verlässlichen Ruhepol. Auch Makke Schneider, der zunächst als Sergeant Trotter gewissenhaft und sachlich die Personen und Räumlichkeiten vor Ort inspiziert und mögliche Verbrechensszenarien sondiert, blüht gegen Ende voller Verve zu dramatischen Höhenflügen auf, wenn er die anderen Figuren vor möglichem drohenden Unheil warnt.
Das Zusammenspiel ist recht unterhaltsam und einigermaßen gut aufeinander abgestimmt. Trotz einiger Längen gibt es einen entwaffnenden Schluss, der nicht verraten werden darf. Gerne sei hier jedoch darauf hingewiesen, dass Agatha Christie bereits 1926 in ihrem Roman Alibi (The Murder of Roger Ackroyd) bewusst und höchstvergnüglich gegen klassische Regeln und Tabus der Kriminalschriftstellerei verstieß. Von ihrer Leserschaft musste sie sich schon damals Vorwürfe der Irreführung vorhalten lassen. Doch genau wie The Murder of Roger Ackroyd ging The Mousetrap als Klassiker des Genres in die Geschichte ein und wird seit 1952 ununterbrochen im Londoner Westend gespielt, ein Weltrekordhalter an der Zahl der Aufführungen. Auch Lajos Wenzels Produktion wird nach der Spielzeit in Bonn erneut 2020 zu sehen sein, dann am Schlosstheater Neuwied.
|
Ansgar Skoda - 26. Mai 2019 ID 11438
DIE MAUSEFALLE (Contra-Kreis- Theater, 21.05.2019)
Regie: Lajos Wenzel
Kostüme: Anja Saafan
Bühnenbild: Tom Grasshof
Mit: Katharina Felschen, Birger Frehse, Heiko Haynert, Lili Koehler, Dominik Penschek, Makke Schneider, Gabriele Schulze und René Toussaint
Premiere war am 25. April 2019.
Weitere Termine bis 23.06. / ab 14.05.2020 (im Schlosstheater Neuwied)
Weitere Infos siehe auch: https://www.contra-kreis-theater.de/
Post an Ansgar Skoda
skoda-webservice.de
Freie Szene
Premierenkritiken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeigen:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
BALLETT | PERFORMANCE | TANZTHEATER
CASTORFOPERN
DEBATTEN & PERSONEN
FREIE SZENE
INTERVIEWS
PREMIEREN- KRITIKEN
ROSINENPICKEN
Glossen von Andre Sokolowski
URAUFFÜHRUNGEN
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|