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Vom Sieg des

Konformismus



Fettes Schwein von Neil LaBute bei den Tiroler Volksschauspielen | Foto (C) Victor Malyshev

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Den vor 40 Jahren gegründeten TIROLER VOLKSSCHAUSPIELEN in der Marktgemeinde Telfs knapp 30 Kilometer westlich von Innsbruck gelang es von Anfang an überregionale Aufmerksamkeit auf sich zu lenken durch die Mitwirkung von Felix Mitterer, dem neben Peter Turrini bedeutendsten österreichischen Autor des Neuen Volksstücks in der Tradition von Ödön von Horváth und Marieluise Fleißer, und durch prominente Schauspieler wie Dietmar Schönherr, Hans Brenner oder Ruth Drexel. Seit dieser Spielzeit leitet der Hans Dampf auf allen Bühnen Christoph Nix, zuletzt langjähriger streitbarer Intendant in Konstanz, die Volksschauspiele. Das reichhaltige Angebot an Ensemble- und Soloprogrammen enthält unter anderem Fettes Schwein von Neil LaBute aus dem Jahr 2004.

Tom (Josef Mohamed) hat sich in die "mehrgewichtige" Bibliothekarin Helen (Anna Lena Bucher) verliebt. Die Arbeitskollegen (Jakob Egger und Katarina Hauser) ziehen Tom wegen seiner neuen Eroberung auf. Der hält dem Druck der Umwelt nicht stand und gibt Helen den Laufpass. Das war's.

Der sympathische, aber rückgratlose Zeitgenosse, der dem gesellschaftlichen Druck keinen Widerstand leistet und die scheinbar Geliebte – sie kann statt "fett" ebenso gut schwarz, islamisch oder behindert sein – im Stich lässt: ein wichtiges Thema, aber schwaches Theater.

Neil LaBute steht exemplarisch für die im englischsprachigen Raum besonders verbreitete Annäherung des Theaters an die Fernsehvorabendserie. Mit unmittelbar einleuchtender Vulgärpsychologie und Dialogen „genau wie im richtigen Leben“ angelt man, nicht ohne Erfolg, nach einem Publikum, das sein Kunstverständnis aus dem TV erworben hat. Fettes Schwein huldigt einem platten Realismus ohne zweite Ebene, ohne mehr als die Doppelung des ohnedies Offensichtlichen.

Diesen Mangel können auch die Bemühungen des Regisseurs Peter Lorenz nicht beheben. Das Bühnenbild von Rubén San Roman Gámez fügt der Inszenierung im nüchternen Rathaussaal an moderner Abstraktion hinzu, was der Text vermissen lässt. Die Schauspieler, die den von LaButes Dramaturgie geforderten kunstlosen Stil perfekt beherrschen, machen als Zugabe im Bühnenhintergrund Musik und kleiden sich dort, fürs Publikum sichtbar, um.

Die schlichte Anlage des dramatischen Konflikts lässt zwei diametral entgegengesetzte Auflösungen zu: Tom kann den Anfechtungen trotzen und bei Helen bleiben, oder er kann sie verlassen. Es ist LaBute positiv anzurechnen, dass er sich für die pessimistische, aber, wie die Dinge liegen, umso wahrscheinlichere Lösung entscheidet. Aus dem aufblasbaren Fisch, den Helen zuletzt in den Armen hält, ist die Luft raus. Tom entfernt sich nach hinten und klettert, ohne Blickkontakt zu Helen, eine Leiter hoch.

Viel Applaus. Und morgen wird flüchtenden Afghanen die Tür gewiesen.



Fettes Schwein von Neil LaBute bei den Tiroler Volksschauspielen | Foto (C) Victor Malyshev

Thomas Rothschild - 26. August 2021
ID 13097
FETTES SCHWEIN (Großer Rathaussaal Telfs, 25.08.2021)
von Neil LaBute
Regie: Peter Lorenz
Kostüme: Uschi Haug
Bühnenbild: Rubén San Roman Gámez
Regieassistenz: Hiwot Clausnitzer
Mit: Anna Lena Bucher, Josef Mohamed, Jakob Egger und Katarina Hauser
Uraufführung in New Yorker Lucille Lortel Theatre war am 15. Dezember 2004.
DSE am Schauspiel Hannover: 02.10.2005
Premiere bei den Tiroler Volksschauspielen: 14. 08.2021


Weitere Infos siehe auch: https://www.volksschauspiele.at/


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