Rausch
der Goldgier
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Lieber Gold im Mund, als Porzellan im Safe am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
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Bewertung:
„Wir werden wie Gold sein“, behauptete schon Frontfrau Suzie Kerstgen von der Band Klee. Die Kölner Musikkünstler traten mit ihrer sehnsuchtsvollen Komposition Gold 2005 für den Bundesvision Song Contest an, verloren jedoch gegen die Band Juli mit dem noch pathetischeren Titel Geile Zeit. Ob nun Das Rheingold Wagners oder die Farbgebung Schwarz-Rot-Gold in der Deutschlandfahne – Gold lud stets zu phantasievollen Höhenschwüngen und Assoziationen ein. Um ganz andere und doch auch ähnliche wertschätzende Gedanken geht es in dem Stück Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe, das das Bonner Fringe Ensemble derzeit in der Werkstatt zeigt.
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Gülden schillert es auf der Bühne im Bonner Theater. Es gibt einen Glitzervorhang. Windmaschinen pusten Flitter; Goldstaub fliegt durch die Luft. Goldfarbene Folienseiten von Rettungsdecken schmücken das ansonsten recht reduzierte Bühnenbild (Bühne: Annika Ley). Schutzfolien werden zu Goldkonfetti zerschnitten. Glitter funkelt und glänzt in allen Farben des reflektierenden, dünn pressbaren Edelmetalls. Es sind Requisiten des Alltags, die hier für ästhetische Bilder genutzt werden.
Das Fringe Ensemble gestaltet in einer vielstimmigen Collage mit teils fragmentartigen Textvortrag politisches Dokumentartheater. Selbstrecherchierte Fakten und eine Widergabe ausgewählter, selbst geführter Interviews werden in dem Recherche-Projekt aneinandergereiht, das die Kulturgeschichte des Goldes beleuchtet. Gold war lange ein Statussymbol, das Herrschaft legitimierte.
Videoprojektionen erzählten von Anlagemöglichkeiten. Andreas Meidinger berichtet engagiert vom krisenfesten Goldwert an der Börse. Laila Nielsen lässt einen Ballon platzen, dem flugs Goldkonfetti entweicht. Gleich darauf verkörpert sie das Stroh zu Gold spinnende Bauernmädchen, dem Rumpelstilzchen zur Hilfe kommt. Goldenes Plastikobst wird emporgereicht. „Goldfinger“ und „All that glitters ain’t gold“ werden gesungen. Das Unvergängliche und der Reinheitsgehalt des Goldes werden gepriesen.
Die Vorführung hat arge Längen und findet keinen stringenten Faden. Zahlreiche Szenen wirken langatmig. Es bleibt zu hoffen, dass das zweite Stück des Recherche-Projektes zum Gold-Mythos, Brillante Saleté - Glänzender Dreck, mehr Spannung bietet. Das Fringe Ensemble entwickelte nämlich die von der Kulturstiftung des Bundes getragene Koproduktion nicht nur mit dem Theater Bonn, sondern auch mit dem burkinischen Espace Culturel Gambidi. Brillante Saleté - Glänzender Dreck soll demnächst im westafrikanischen Land Burkina Faso gezeigt werden. Bei diesem viertgrößten Goldproduzenten der Welt werden jährlich fünfzig Tonnen Gold abgebaut. Hier betreibt die Bevölkerung die meisten Goldminen unkontrolliert, es herrscht ein Schwarzmarkt mit Kinderarbeit. Quecksilber sorgt beim Abbau regelmäßig für Umweltzerstörungen, wenn es etwa das Grundwasser verseucht.
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Lieber Gold im Mund, als Porzellan im Safe am Theater Bonn | Foto © Thilo Beu
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Ansgar Skoda - 4. Februar 2020 (2) ID 11979
LIEBER GOLD IM MUND ALS PORZELLAN IM SAFE (Werkstatt, 28.01.2020)
EIN RECHERCHEPROJEKT VON DREI THEATERN AUF ZWEI KONTINENTEN
Regie: Frank Heuel
Bühne, Kostüme und Video: Annika Ley
Licht: Klaus Rieger
Dramaturgie: Claudia Grönemeyer und Jan Pfannenstiel
Mit: Manuel Klein, Andreas Meidinger, Laila Nielsen, Julia Philippi, Sören Wunderlich und Oleg Zhukov
Premiere am Theater Bonn: 19. Dezember 2019
Weitere Termine: 06., 14.02.2020
Weitere Infos siehe auch: https://www.theater-bonn.de
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