170 Pfund
kaltes
Fleisch
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Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer am Schauspiel Köln | Foto (C) JU
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Bewertung:
Brechts Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer ist von seinem Autor als ein (sage und schreibe:) 500seitiges Fragment der Nachwelt hinterlassen worden! Heiner Müller sichtete dann in den 1980ern den Konvolut beschriebenen Papiers und "komprimierte" ihn zu einer spielbaren Fassung, die das (damalige) Noch-DDR-Regisseurspaar Karge/Langhoff am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg fesch und frech - und ohne ausdrückliche Einverständnisse der Brecht-Erben - zur Erstaufführung brachte; vor fünf Jahren knüpfte Manfred Karges Inszenierung am BE an das vergangene Ereignis sinnstiftender Weise an...
Das Stück (in der besagten Müller-Fassung) zählt wohl heute zu den mit am meisten gespielten Brecht-Werken.
"Angesiedelt im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs erzählt es die Geschichte von vier Deserteuren, darunter Johann Fatzer, die in Mülheim an der Ruhr in einem Keller sitzen und warten. Auf das Ende des Kriegs, auf den Ausbruch der Revolution. Während sie sich den Träumen von einer besseren Gesellschaft hingeben, radikalisieren sie sich und fangen schließlich an, sich gegenseitig zu bekämpfen." (Quelle: schauspiel.koeln)
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Am Schauspiel Köln hatte sich jetzt der hier zum ersten Mal inszeniert habende kroatische Regisseur Oliver Frljić [Naše nasilje i vaše nasilje, Ein Bericht für eine Akademie, Imaginary Europe] der Sache angenommen und ein herrlich durchchoreografiertes Tableau einer schier außer Rand und Band geratenen SpielerInnengemeinde auf die Bretter geknallt.
Die Bühne Igor Pauškas besteht dann "lediglich" aus braunem Erdsand und eisernen Bettgestellen. Und Kostümdesignerin Sandra Dekanić verpasste dem agierenden Septett verschlissene und eingelöcherte Klamotten; ja und falls es die dann während seiner schweißtreibenden 100minütigen Performance jemals anhatte - denn meistens wurde oberkörperfrei gespielt - , sollten die sicherlich aufs insgesamte "Flair" der Schlachtfelder und -bänke aus dem Ersten Weltkrieg (wo die Handlung angesiedelt ist) verweisen.
Yuri Englert, Benjamin Höppner, Nicolas Lehni, Seán McDonagh, Nika Mišković, Hannah Müller und Elias Reichert kommen in der Spielfreude und -wut, die sie dem atemlosen Treiben angedeihen lassen, als vor körperlicher Schönheit strotzende und mittels ihrer artikulativen Könnerschaft sprach-/lautmalernde Asse zu uns Zuschauende/Zuhörende 'rüber!! Ein signifikantes Hohefest der Schauspielkunst.
Frljić lässt seine Akteure als Ensemble - jeder ist dann irgendwann mal Fatzer, beispielsweise - und doch individualer, als man es für möglich hält, agieren. Ja und dass der Mensch an sich, und insbesondere in so gesellschaftlich-grandiosen Auflösungserscheinungen wie sie vielleicht nicht nur in Kriegen möglich sind, bloß noch als Masse und/oder Materie ("170 Pfund kaltes Fleisch") existiert, verdeutlicht seine metzgerscharfe Inszenierung umso mehr.
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Der Untergang des Egoisten Johann Fatzer am Schauspiel Köln | Foto (C) JU
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Andre Sokolowski - 19. Juni 2019 ID 11516
DER UNTERGANG DES EGOISTEN JOHANN FATZER (Depot 2, 18.06.2019)
Regie: Oliver Frljić
Bühne: Igor Pauška
Kostüme: Sandra Dekanić
Licht: Jan Steinfatt
Dramaturgie: Sarah Lorenz
Mit: Yuri Englert, Benjamin Höppner, Nicolas Lehni, Seán McDonagh, Nika Mišković, Hannah Müller und Elias Reichert
Premiere am Schauspiel Köln: 7. Juni 2019
Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel.koeln
http://www.andre-sokolowski.de
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