(Tanz-)Bilder einer Großstadt
WE ARE HERE von Anna Konjetzky - jetzt auch in München
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Bewertung:
Corona hatte die Choreografin Anna Konjetzky arg gebeutelt. Zwei Premieren mussten abgesagt werden, eine ist wohl für immer gestorben. Aber jetzt:
We are here.
Elf Tänzerinnen und Tänzer [Namen s.u.] durften endlich wieder zeigen, was sie drauf haben. Ihre Partner: ein tiefer, grauer Raum (Andrey von Schlippe), Licht und Schatten. Es trägt sie eine starke Basis, die eindrucksvolle Soundcollage aus Geräuschen einer Großstadt von Sergej Maingardt.
Alles beginnt mit Soundschleifen, die aus einer Fußgängerzone stammen könnten, einem Bahnhofsvorplatz, einer U-Bahn-Haltestelle. Alltag in town. Die Menschen, in grau, beige und braun, sind bis auf ein paar Farbtupfer in „gedeckten“ Tönen gewandet (Kostüme: Charlotte Pistorius) und scheinen gelangweilt zu warten. Jede und jeder für sich. Tonfetzen setzen sie in Bewegung, abrupte Stille friert sie ein. Die Szene nimmt Fahrt auf und erinnert an das alte Kinderspiel: stoppte die Musik, durfte man sich nicht mehr rühren. Das sah damals komisch aus. Die Kinder lachten.
Dieses erwachsene Tanzspiel jedoch hat nichts Fröhliches. Die Menschen verharren oft in Schreckstarre, irgendwoher atmet es schwer. Aus dem Geräuschteppich steigt immer wieder ein pulsierender Rhythmus auf. Die Moves schalten sich gleich, die Schatten der Tänzer spielen mit. Verleitet diese akustische Umgebung zu Uniformität? Auf jeden Fall funktionieren die Menschen wie Rädchen in einem Getriebe. Zwar lösen sich einzelne Tänzer*innen hin und wieder aus der Gruppe, nehmen sich Freiräume, ihre Schritte sind dann unnatürlich laut, sie schlenkern mit den Armen, doch bald schon zucken und zittern sie aufs Neue zum Beat der Stadt: Baulärm? Eine Stadtbahn? Bremsen? Sirenen? Alles geht wild durcheinander, im Großstadtdschungel brüllen Löwen, heulen Hunde, Paarungen sind flüchtig und zufällig.
Je höher der Geräuschpegel steigt, umso mehr verdichten sich Aggressionen, Angst und Erschöpfung. Dazu verengt sich der Bühnenraum. Er verliert immer mehr an Tiefe. Am Ende stehen alle Figuren aufgereiht wie auf einer schmalen Rampe. Kein Platz mehr. Der Tanz ist zu Ende. Stille. Aber dann lauter, verdienter Beifall.
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We are here von Anna Konjetzky | Foto (C) Gabriela Neeb
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Anna Konjetzkys vielfach ausgezeichnete Arbeiten werden national und international gezeigt. Sie kreiert auch Stücke für etablierte Tanzcompagnien und realisiert ihre eigenen Stücke seit 2014 in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen. Seit 2019 agiert sie als Anna Konjetzky&Co. Mit einem festen Team hat sie in München den PLAYGROUND gegründet, einen Ort, an dem Tänzer*innen ihr Wissen erweitern können.
Einmal mehr war ihr mit We are here, einer Produktion des Saarländischen Staatsballets von vor zwei Jahren, ein sehr starkes Stück gelungen.
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Petra Herrmann - 21. Juli 2021 ID 13039
WE ARE HERE (Muffathalle München, 20.07.2021)
Choreographie: Anna Konjetzky
Musik: Sergej Maingardt
Bühnenbild: Andrey von Schlippe
Kostüme: Charlotte Pistorius
Mit: Guido Badalamenti, Aurora Bonetti, Eleonore Bovet, David Cahier, Erica D'Amico, Sahra Huby, Quindell Orton, Oliver Petriglieri, Alfonsos Fernández Sánchez, João Santiago und Chiara Viscido
UA im Saarländischen Staatstheater: 30.05.2019
Münchner Re-Stagings einer Produktion für das Saarländische Staatsballett
Weitere Infos siehe auch: https://www.annakonjetzky.com/
Post an Petra Herrmann
petra-herrmann-kunst.de
Ballett | Performance | Tanztheater
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