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Uraufführung

Vom Häuslebauer

zum Tempelherrn



der tempelherr von Ferdinand Schmalz am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

Bewertung:    



Das Leben ist eine Baustelle. So heißt zumindest ein recht erfolgreicher deutscher Kinofilm von Wolfgang Becker aus den 1990er Jahren. Auch im neuen Jahrtausend hat diese Metapher scheinbar noch nicht ausgedient. Der österreichische Dramatiker Ferdinand Schmalz hat nun mit der tempelherr sogar ein „Erbauungsstück“ geschrieben. Im herrschenden Zeitalter des Neoliberalismus ist jeder seines Glückes eigener Schmied oder eben Bauherr. Und ob nun das Werk bzw. Leben eine „Fertigteilversion“ oder wie hier ein antiker Tempel wird, liegt immer auch im Auge des Betrachters. Und manchmal ist das (Bau-)Vorhaben sogar so groß, dass man sich irgendwann darin verliert.

So auch der ambitionierte Lehrer „im Sabbatical“ Heinar aus der Stadt, der samt schwangerer Ehefrau Petra (Natali Seelig) aufs flache Land in die Natur zieht und sich mit dem Geld von Kofinanzier und Schwiegervater Kurt (Harald Baumgartner) ans Selbstverwirklichen macht. Die Träume schießen dabei etwas in den Himmel, und die Hausdimensionen geraten mit Säulen und Kapitälen wie zum kultischen Trutzbau für einen mythologischen Gott, wie die „Zaungäste“ genannten Einheimischen im verdutzen Chor unter archaischen Masken feststellen. Die „autochthone Landbevölkerung“ mokiert sich über das etwas aus dem ländlichen Rahmen fallende Eigenheim. Der titelgebende tempelherr gerät darauf in eine Schaffenskrise und Sackgasse, verschwindet schließlich und wird samt metaphorischem Bauwerk selbst zum Mythos, von dem hier nun knapp 90 Minuten lang erzählt wird.

Der Tempelherr tritt dabei selbst gar nicht auf. Sein Bau ist eine Doppel- bzw. Dreifachmetapher, gespeist aus gesellschafts-, zivilisations- und kapitalismuskritischen Bestandteilen. Autor Schmalz ist bekannt für seine metaphernreiche Sprache. Der Text kommt hier zudem in kunstvoller Versform daher. Auch das nicht neu und eben leider nicht ganz abendfüllend. Die eigentliche Story lässt sich dann auch ganz einfach wie schon in Zeiten des Aufruhrs vor ein paar Tagen als Ehekrise lesen, angereichert mit einer kleinen Gesellschaftsutopie, die von verschiedenen Seiten torpediert wird.

Auf der Bühne der Kammerspiele am Deutschen Theater ist das Ergebnis bereits dargestellt. Nachdem der Gazevorhang, auf dem zu Beginn etliche The-End-Projektionen zu sehen sind und die Kamera durch Theaterruinen schweift, hochgeht, sieht man die Reste von Heinars Tempel als Pappmaché-Trümmerfeld. Laut Text will er zurück zu den Wurzeln, „aus den ruinen des kontinents“ soll hier etwas ganz neues entstehen. Licht, Landluft, Hoffnung und Zukunft im „goldenen Schnitt“. Vorbild sind griechische Antike, Vernunft und Aufklärung gegen den ländlichen Kleingeist, Abschottung und wirtschaftliche Effizienz. Deren Vertreter sind Sicherheitsexperte Thomas (Edgar Eckert), der seine Produkte anpreist, seine Frau Christina (Linn Reusse), die wortreich über moderne Wohnideen palavert, sowie Architektenfreund Markus (Bernd Moss), der Heinar von seinem Wahn abringen will und ihm schließlich die Frau ausspannt. Aber auch Kurt will seinen Schwiegersohn scheitern sehen.

Ferdinand Schmalz kommt bei dem gewohnt ironisch vom Hölzchen aufs Stöckchen und flicht auch noch eine Art Ikarusgeschichte ein, bei der Heinars Sohn, eine Chimäre aus Mensch und ländlichem Bremseninsekt mit Facettenaugen, beim Steigen zur Sonne abstürzt. Heinar sitzt dafür zwei Jahre ab und macht sich danach wieder mit Gleichgesinnten ans Werk, dass, was Wunder, aber nicht fertig werden will. Für die anderen in ihren schillernden Endzeitkostümen nimmt das sektenartige Züge an. Heinar ist ihr Priester und verstummter Visionär. Die Frage „Wie soll man Leben?“ bleibt natürlich unbeantwortet und das Glück weiterhin eine Baustelle. Ein wenig arg gedrechselt und geschraubt ist das auf Dauer, aber doch auch ganz zur Erbauung des zufriedenen Premierenpublikums. Die Uraufführungsinszenierung von Regisseur Philipp Arnold fiel nicht negativ ins Gewicht.




der tempelherr von Ferdinand Schmalz am Deutschen Theater Berlin | Foto (C) Arno Declair

pb - 5. März 2019
ID 11260
DER TEMPELHERR (Kammerspiele, 03.03.2019)
Regie: Philipp Arnold
Bühne: Viktor Reim
Kostüme: Julia Dietrich
Video: Sebastian Pircher
Dramaturgie: Bernd Isele und Juliane Koepp
Mit: Natali Seelig (als Petra), Harald Baumgartner (als Kurt), Bernd Moss (als Markus), Linn Reusse (als Christina) und Edgar Eckert (als Thomas)
Uraufführung am Deutschen Theater Berlin: 3. März 2019
Weitere Termine: 07., 20.03. / 16., 20.04.2019


Weitere Infos siehe auch: https://www.deutschestheater.de/


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