Gang,
Zickzack,
Kreis...
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Die sechs Brandenburgischen Konzerte von Anne Teresa De Keersmaeker | Foto (C) Anne Van Aerschot
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Bewertung:
Die Volksbühne Berlin steckt eingestand´ner Maßen, frei nach VB-Urgestein Erwin Piscator, mittendrin in einer "Umbruchsphase" - so weist sie es Schwarz auf Rot mit einem überdimensionalen längsseitigen Fahnenbanner aus, welches man rechts vom Eingang schon von Weitem sieht. Die Interimsspielzeit (bis dass ein regulärer Nachfolger von Dercon einberufen sein wird; niemand weiß derzeit, wie lange sich dieser von der Senatsverwaltung kulturpolitisch selbstverschuldete Ist-Zustand hinziehen könnte) wird nun von Klaus Dörr verantwortet; sein Spielplan weist bis Ende Januar 2019 beispielsweise die Uraufführungen Haußmanns Staatssicherheitstheater von Leander Haußmann (14. Dezember) oder Coming Society von Susanne Kennedy (17. Januar) aus, auch gibt es Sprechtheater-Gastspiele aus Bochum, Hamburg, Stuttgart und Hannover. Es wird also wieder zunehmend geschauspielert am Ostberliner Traditionshaus, was für eine etwaige Zielgerade für die Rück- bzw. Neuausrichtungen am Rosa-Luxemburg-Platz spricht. Doch niemand weiß...
Ganz unabhängig von dem Obigen hat sich das Haus dann gestern Abend als die Uraufführungsstätte einer kaum mit Worten zu beschreibenden Veranstaltung der Superlative angezeigt; Ex-Intendant Chris Dercon, der selbst zur Premiere kam, hatte das Alles noch vor resp. während seines unglücklich zu Ende gegangenen Berlinjobs "eingerührt":
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Die sechs Brandenburgischen Konzerte - als Idee und Choreografie der flämischen Tanzikone Anne Teresa De Keersmaeker sowie unter der musikalischen Leitung der französischen Barockgeigerin Amandine Beyer - müssen als gesamtkunstwerkiges Ereignis postuliert sein.
16 Tänzerinnen und Tänzer von Rosas sowie 23 Musikerinnen und Musiker vom B’Rock Orchestra demonstrieren - schon allein durchs Faktum ihrer parallelen Mitgewirktheit - einen Grad von Luxus, den man mit so derart ambitionellem Ehrgeiz wohl noch nie zuvor erlebt zu haben meinte: die Verbindung eines neuen Tanztheaters mit live musiziertem Bach-Barock, unter der angewandten Wahrung historischer Aufführungspraxis. Sensationell!
"Während eines New-York-Aufenthalts in den 1980er Jahren probte Anne Teresa De Keersmaeker erstmalig ihre gefeierte Violin Phase zur Musik von Steve Reich. In ihrem Studio lief neben der Musik von Reich nur eine Aufnahme der Brandenburgischen Konzerte von Johann Sebastian Bach. Fünfunddreißig Jahre später setzt De Keersmaeker die Arbeit mit diesem Stück fort. Sie sagt: 'Bachs Musik ist wie kaum eine andere durchdrungen von Bewegung und Tanz. Er wusste die größtmögliche Abstraktion mit einer konkreten, körperlichen und später auch transzendentalen Dimension zu verquicken.'"
(Quelle: volksbuehne-berlin.de)
Die Aufführung dauert zwei Stunden.
Sämtliche Brandenburgischen Konzerte BWV 1046-1051 werden (in ihrem Urtext) musiziert. Zwischen den Einzeldarbietungen gibt es Umbau-Pausen, die MusikerInnen, die für die je anstehenden Einzelbesetzungen der 6 Instrumentalkonzerte als SolistInnen fungieren, werden jeweils ausgetauscht, betreten und verlassen also unauffällig den Orchestergraben.
Zeitgleich spielt sich "oben" auf dem Riesenbühnen-Halbrund jenes Simultan-Geschehen mit den TänzerInnen ab, das sich [in ungefährer rückerinnerlichter Nachbetrachtung durch den Schreiber dieser Zeilen] in abstrakte und gleichsam doch wieder sinnlich-anfassbare Schönheit der zumeist in Weiß gelichteten und der mitunter durch Kostümdesignerin An D'Huys in unterschiedlich aussehende schwarze Netzhemden gesteckten Männerkörper nach und nach verliert; 4 Frauen stehen übrigens 12 Männern gegenüber; und De Keersmaeker, die nie zuvor mit so viel TänzerInnen arbeitete, wollte aus den individuellen Lebenserfahrungen dreier Generationen "ihrer" Rosas-Truppe schöpfen analog ihrem Privatverständnis hinsichtlich der Brandenburgischen Konzerte:
"Es ist jugendliche Musik, deren Energie sich auf und davon macht", assoziierte sie.
Entstanden ist ein Gleichnis auf das menschliche Vergehen...
In dem lesenswerten Text von Wannes Gyselinck erfährt der Leser des Programmhefts, was es insgesamt dann mit der inneren und äußeren Struktur des durchaus kopflastigen Kunstwerks auf sich hat: "Gang", "Zickzack" oder "Kreis" spielen in dem Zusammenhang eine das Tanzstück dechiffrierend-aufschließende Rolle. Liest sich nachgerade ziemlich kompliziert und muss auch nicht fürs eigene Verständnis oder fürs Privatentschlüsslerische herhalten.
Fakt ist:
Du kannst dich nicht der suggestiven Kraft, die von den TänzerInnen, MusikerInnen zu dir herüber schwingt, entziehen.
Beispiellos und wunderschön!!
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Die sechs Brandenburgischen Konzerte von Anne Teresa De Keersmaeker | Foto (C) Anne Van Aerschot
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Andre Sokolowski - 13. September 2018 ID 10911
DIE SECHS BRANDENBURGISCHEN KONZERTE (Volksbühne Berlin, 12.09.2018)
Choreografie: Anne Teresa De Keersmaeker
Musikalische Leitung: Amandine Beyer
Bühne und Licht: Jan Versweyveld
Kostüme: An D‘Huys
Dramaturgie: Jan Vandenhouwe
TänzerInnen von Rosas: Boštjan Antončič, Carlos Garbin, Frank Gizycki, Marie Goudot, Robin Haghi, Cynthia Loemij, Mark Lorimer, Michaël Pomero, Jason Respilieux, Igor Shyshko, Luka Švajda, Jakub Truszkowski, Thomas Vantuycom, Samantha van Wissen, Sandy Williams und Sue Yeon Youn
MusikerInnen des B’Rock Orchestra:
Bart Aerbeydt, Benny Aghassi, Frédéric Baldassare, Julien Barre, Amandine Beyer, Manuela Bucher, Bart Coen, Mark De Merlier, Tom Devaere, Manuel Granatiero, Luc Gysbregts, Fruszi Hara, Jivka Kaltcheva, Andreas Küppers, Jon Olaberria, Marta Páramo, Rebecca Rosen, Antoine Torunczyk, Stefaan Verdegem und David Wish
Uraufführung war am 12. September 2018.
Weitere Termine: 13.-15.09.2018
Weitere Infos siehe auch: http://www.volksbuehne.berlin
http://www.andre-sokolowski.de
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