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Gartenparty



Weltwärts von Noah Haidle am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) David Baltzer

Bewertung:    



Peter Turrini hat vor längerer Zeit ein Einpersonenstück geschrieben, das Endlich Schluss heißt. Darin zählt ein Mann bis 1000, um sich danach zu erschießen. Der angekündigte Selbstmord ist jetzt Thema am Schauspiel Stuttgart.

Burkhard C. Kosminski hat an dem amerikanischen Dramatiker Noah Haidle, wie man so sagt, „einen Narren gefressen“. Er war sein Hausautor in Mannheim. Vor vier Jahren hat das Nationaltheater sein Stück Götterspeise gezeigt, vor dreieinhalb Jahren hat Kosminski Für immer schön inszeniert. Weltwärts, das jetzt in Stuttgart uraufgeführt wurde, handelt vom „Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben“. Aber es bleibt an der Oberfläche der Problematik. Es dringt nicht ein in die widersprüchlichen Standpunkte vom Dogma der Kirchen, dass nur Gott Leben verleihen und wieder nehmen dürfe, über die nachwirkende Geschichte der nationalsozialistischen Euthanasie bis hin zu den Überlegungen von Jean Améry oder Arthur Koestler.

Noah Haidle steht in der sehr amerikanischen Tradition eines Eugene O‘Neill, eines Tennessee Williams oder eines Arthur Miller. Aber gegenüber diesen stellt sein naiver Realismus eine dramaturgische wie sprachliche Banalisierung dar. An einer Stelle heißt es: „Was wir hier tun, könnte jede beliebige Gartenparty sein.“ Wie wahr. Was an dramatische Kunst erinnern könnte, verdankt sich nur zwei Figuren: dem Kevin von Klaus Rodewald, der als Störenfried aus der ersten Reihe des Zuschauerraums mit Zwischenrufen provoziert, und dem Onkel Buddy von Elmar Roloff, der wie ein entfernter Verwandter von Tschechows heruntergekommenen Ärzten als Krishna Tänze vorführt und Komik einbringt. Von Officer O‘Hara aus Arsen und Spitzenhäubchen könnte der karikierte Polizist Owen (Peer Oscar Musinowski) inspiriert sein. Daneben strampeln sich Therese Dörr als Selbstmordkandidatin Anna, Anke Schubert als deren Mutter sowie Gábor Biedermann als Symbiose aus Musiklehrer und Liebhaber ab. Josephine Köhler darf, weil sie das so gut kann, als Annas Schwester Baby eine Gesangsnummer beisteuern. Wow!

Unspektakulär wie das Stück ist die Regie, in der die paar Figuren – eine erweiterte Familie inklusive Kind, dessen Textbeherrschung Bewunderung verdient – quer über die zu große Bühne mit grünem Rasenteppich und flatterndem Packpapier und zugleich ins Publikum kommunizieren müssen. Aber wenn man einen Narren gefressen hat...

Der Schluss dann ist nur noch sentimentaler Kitsch. Wenn es zutrifft, dass junge Menschen zunehmend Probleme haben, komplexere Sätze zu verstehen, wird dieses Stück kaum Abhilfe schaffen. Der literarische Text befindet sich auf dem Rückzug. Wo, wenn nicht am Theater, sollte dagegen Widerstand geleistet werden?

*

Für die Chronik sei festgehalten: es gab viel Applaus. Galt er der Bühnenkunst oder einem Thema, das zurzeit en vogue ist? Ich zähle bis 1000.




Weltwärts von Noah Haidle am Schauspiel Stuttgart | Foto (C) David Baltzer

Thomas Rothschild – 1. März 2020
ID 12042
WELTWÄRTS (Schauspiel Stuttgart, 29.02.2020)
Inszenierung: Burkhard C. Kosminski
Bühne: Florian Etti
Kostüme: Lydia Kirchleitner
Musik: Hans Platzgumer
Video: Sebastian Pircher (impulskontrolle)
Licht: Felix Dreyer
Dramaturgie: Gwendolyne Melchinger
Mit: Therese Dörr, Aniko Sophie Huber/Rebekka Roller, Klaus Rodewald, Anke Schubert, Josephine Köhler, Elmar Roloff, Gábor Biedermann und Peer Oscar Musinowsk
Uraufführung war am 29. Februar 2020.
Weitere Termine: 02., 14., 19., 21.03. / 02., 04., 08.04. / 03., 19.05.2020


Weitere Infos siehe auch: https://www.schauspiel-stuttgart.de


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