WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA
BEETHOVEN-ZYKLUS 2011 Sinfonie Nr. 3 / Sinfonie Nr. 4
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Keine der Beethoven-Sinfonien kann wohl derzeit - und wir sprechen hier nicht von der großen, schönen und so unerreichlich weiten Utopie des "Alle Menschen werden Brüder" (jenes Schlusschors Ode an die Freude aus der Neunten) - derart brandheiß einen weiten Bogen zu den aktuellen Tagesläufen der Geschichte fackelnd schlagen wie die Dritte, auch genannt Eroica.
Ihrem Schöpfer sagt man nach, er hätt' sie auf Napoleon Bonaparte, den er doch eigentlich als fortsetzenden Genius für das auch so allzu große, schöne "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", jener Parole der Französisch-bürgerlichen Revolution von 1789, hielt, geschrieben. Dass der geniöse Herrscher sich zur selbstbewussten Krönung seines Lebenswerkes, und nach all den guten Ansätzen zur internationalen Durchsetzung des lyrisch-tollkühnsten Gesamtziels, was sich Menschen je ersannen (= "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"), höchstselbst zum Kaiser hochbugsierte, sollte Beethoven so arg enttäuscht haben, dass er die Widmung - wenn man all den Anekdoten ernstlich Glauben schenken darf - zurückgenommen hatte mit den nachstehenden Worten:
"Ist er auch nichts anderes wie ein gewöhnlicher Mensch? Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen, er wird sich nun höher wie alle anderen stellen, ein Tyrann werden!"
Und Niemand weiß, wie die zum einen Teil gewaltlos und zum andern Teil gewaltvoll ablaufenden (Teil-)Revolutionen, die die Menschen aus dem Nahen Osten seit dem Frühjahr dieses Jahres pausenlos in Atem halten, irgendwann dann enden; und orakeln nützt ja herzlich wenig - und es fragt sich freilich leicht aus (westlicher) Distanz heraus, ob "die" das demokratisch, rechtlich, freiheitlich auch je dann in die Reihe kriegten, oder ob man "da" alte mit neuen Herrschern und Despoten einfach tauscht?
Ja und um alles Dieses geht es in Eroica - 1806 erschienen unter dem viel umständlicheren O-Titel Sinfonia eroica, composita per festiggiare il sovvenire di un grand´uomo (Heldensymphonie, niedergeschrieben, um das Andenken an einen großen Mann zu feiern); und nichts stand/steht da mehr über das Ideal Napoleon...
Daniel Barenboim hat diese Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 marzialisch besetzt; wir zählen allein 9 Kontrabässe! Dieser Griff zum auswüchsigen Instrumentarium - das Orchester kriegt unkleinlich Bruckner-Stärke - ist vom Dirigenten selbstverständlich voll bewusst und ohne jeden Grad von klanglicher Zurückhaltung bestimmt gewesen; und der Maestro-Plan geht, wie erwartet, auf, ja: Kampf & Klage; Tat & Trauer; Liebe, Lust & Leid etc. pp. Der hörerischen Fantasie zum Dechiffrieren all der vorgestellten lauten sowie leisen Zeichen werden Tür & Tor geöffnet. Und wir sind der freiwilligste Ohrenzeuge einer überbordigen Gesamtdarbietung, die vom Sitz reißt.
Allerdings! Das West-Eastern Divan Orchestra ist schon eine Weltspitze für sich!! Heute, zum Beispiel, fielen uns die Bläser ganz besonders auf; da waren Einzel-Soli zu erleben, die man so, also in dieser Qualität und Güte, nicht sehr oft in den Rolls-Royce-Orchestern hören könnte - wow!!!
[Und vor der Pause gab's die Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60; Schumann nannte die einst "griechisch-schlank" - doch was wir hier, vom WEDO musikantisch makellos geboten, hörten, hätte allenfalls als Scherz-Diät von Hungerunwilligen gelten können; machte aber nix.]
Die Leute tobten vor Begeisterung!!!
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Andre Sokolowski - 24. August 2011 ID 5344
BEETHOVEN-ZYKLUS DES
WEST-EASTERN DIVAN ORCHESTRA (Kölner Philharmonie, 24.08.2011)
Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60
Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 (Eroica)
West-Eastern Divan Orchestra
Dirigent: Daniel Barenboim
8. / 9. Sinfonie (Berliner Waldbühne, 21.08.2011)
1. / 2. Sinfonie (Kölner Philharmonie, 23.08.2011)
EINTRITT FREI!
5. / 6. Sinfonie (Kölner Philharmonie, 25.08.2011)
9. Sinfonie ("Classic Viewing" auf dem Kölner Roncalli-Platz, 28.08.2011)
Daniel Barenboim über das WEDO
Weitere Infos siehe auch: http://www.west-eastern-divan.org
http://www.andre-sokolowski.de
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